im September 2020

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

beeindruckend ist der Brief, den Ernst-August Schmelter in diesen Tagen seinem Enkel schrieb. An die Verbrechen und an das Unrecht der Nazi-Jahre zu erinnern, ist heute für die jüngere Generation besonders wichtig.

 

Ich danke Ernst-August Schmelter für seine freundliche Bereitschaft zur Veröffentlichung.

 

Ihr Henning Stoffers


Brief an den Enkel:

Erinnerungen an Domkapitular Reinhold Friedrichs

Hallo lieber Frederik ,

...Ich berichte nun über eine schreckliche Geschichte, die mein Vater erlebt hat. Er war gut bekannt mit einem Herrn Kaplan Reinhold Friedrichs, der im Katholisch-Kaufmännischen Verein Münster, dem mein Vater angehörte, Präses war. Hier geht es noch um die Zeit vor Kriegsbeginn.

Reinhold Friedrichs
Reinhold Friedrichs

Dieser Freund gehörte zu der Aegidii - Pfarre in Münster. Er war schon als Kaplan für gute Predigten bekannt.

 

Nun der Schrecken: 1941 hielt er zweimal Predigten, in denen er indirekt das Hitler Regime kritisierte. Zur gleichen Zeit hielt auch unser Bischof Clemens-August einige Male sonntags in der Überwasserkirche und in der Lambertikirche Predigten mit Hitler Kritik. Die Nazis kontrollierten das alles und schalteten sich ein. Wie man nach dem Kriege herausfand hatte Berlin festgelegt, den Bischof zunächst nicht anzutasten, da man dann im hoch katholischen Münster vor einer Revolte der Bevölkerung Angst hatte. Also wurde als Warnung der Kaplan Reinhold Friedrichs ins KZ verschleppt. Mein Vater war entsetzt und setzte sich mit dem Gauleiter in Verbindung. Als er dann noch einen zweiten Besuch machte, wurde ihm erklärt: „sollten sie noch einmal in der Sache Friedrichs vorsprechen, so werden auch sie dort landen.“

 

Viele, viele Kritiker wurden eingesperrt. Der Vater einer kleinen Freundin von mir, war Leiter einer Poststelle und wurde 1944 eingesperrt. Es war schrecklich. Als ich fragte, wo ihr Vater sei, da sagte sie mit Tränen in den Augen, dass sie es nicht wisse.

 

Tausende wurden eingesperrt oder direkt getötet. Kannst du dir vorstellen, lieber Frederik, wie glücklich meine Eltern waren, als sie 1945 hörten, dass Reinhold Friedrichs lebt.

Wir nannten ihn Onkel Reinhold, er hatte auch 1934 meinen Bruder Reinhold getauft. Schnell wurde er Domkapitular. Sehr oft war er bei uns eingeladen. 1960 traute er mich und Ellen, und deine liebe Mami Monica wurde von ihm getauft.

 

Du siehst auf der ersten Seite in unserem Gästebuch ein Bild von ihm und die Eintragung zu unserer Verlobung.

 

Weiter siehst du ebenso Bild und Eintragung von Uni-Rektor Professor Hermann Volk. Er wurde später Bischof und dann Kardinal von Mainz. An zwei Pabstwahlen hat er teilgenommen .

Herr Professor Volk, der uns auch nach dem Tode meines Vaters oft besuchte, konnte ebenfalls über schreckliche Geschichten berichten.

 

Ich wurde oft in den fünfziger Jahren gefragt, ob meine Eltern nicht opponiert hätten. Meine Antwort kannst du dir nun vorstellen.

 

Du kannst über diesen Bericht mal mit Freunden sprechen. Ja, dieses ist erlebt und nicht aus Büchern.

 

Hier noch zum Abschluss schreckliche Zahlen: Bei mehr als 100 Luftangriffen während des zweiten Weltkrieges wurden über Münster etwa 32000 Spreng- und mehr als 640000 Brandbomben abgeworfen.

 

Ich erlebte den ersten Großangriff auf Münster am 10. Oktober 1943. Danach ging es so richtig los.

 

Ich nehme dich in den Arm und gebe dir ein dickes Küsschen.

 

Dein Opapa Ernesto


Quellen

Text und Abbildungen: Ernst-August Schmelter

Redaktion: Henning Stoffers