Liebe Leserin, lieber Leser,

Dr. med. Frank-E. Skrotzki hat als Gastautor seine Gedanken zur wechselhaften Geschichte des Schlosses Wilkinghege niedergeschrieben. Und so erfährt die Leserschaft unter anderem, woher der Begriff ,Töttken' stammt. Auch eine eine Kadettenschule hat es dort gegeben.

 

Frank Skrotzki kenne ich seit Jahrzehnten, und ich freue mich, ihn mit diesem Beitrag auf meiner Seite vorstellen zu dürfen.

 

Ihr Henning Stoffers


Gedanken zur Geschichte des Schlosses Wilkinghege

Das Wasserschloss Wilkinghege hat in einer Geschichte immer wieder den Besitzer gewechselt. So war einer von ihnen auch der Bruder der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff, Werner-Constantin Freiherr Droste-Hülshoff. In den  50er Jahren des vorigen Jahrhunderts schließlich erfolgte ein erneuter Besitzerwechsel, der die Gebäude aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen ließ.

 

Es entstand ein Hotel mit Restaurant, das der abgebildete Prospekt seinen Gästen vorstellt. Darin steht auch ein kurzer Abriss der Geschichte, mit einem erstaunlichem, wenig bekannten Detail. Wir lesen, dass sich dort auch einmal als Kadett Jean-Baptiste Kléber (1753 – 1800) aufgehalten haben soll. Da kommen die Fragen, ob es eine Kadettenschule in Münster gegeben hat.

Ja, denn Frhr. Franz von Fürstenberg (1729 – 1810) hatte diese begründet. (So sagen die Einen)

 

Als großem Reformator im Fürstbistum lag ihm auch das Militär am Herzen. Und so gründete er 1767 auf dem Malinkrodischen Hof eine Militär-Akademie. Wo dieser nun war, ist primär unbekannt. Sollte es sich vielleicht um den Mallinckrodthof in Nordborchen bei Paderborn handeln, der ein barockes Herrenhaus besitzt und ein kleines „Tempelchen“, in dem Annette von Droste-Hülshoff einen Teil ihrer „Judenbuche“ geschrieben haben soll. - Leider wird auf unser Thema in den Beschreibungen nicht eingegangen.

Die Ausbildung in der Akademie bestand lt. Esser neben dem Erlernen militärischer Fähigkeiten auch in Geschichte, Mathematik und Psychologie. Der sonntägliche Gottesdienst fand für die Katholiken in der Lambertuskirche (die es wiederum in Borchen nicht gibt.) statt und für die Evangelischen, die wohl kaum in damals streng katholischen Dörfern geduldet wurden, war ebenfalls „angemessen“ gesorgt, leider wissen wir nicht wo.

 

Und dann kommt auf Seite 73 des zitierten Buches von Esser: „Aus dieser Anstalt sind viele ausgezeichnete Offiziere hervorgegangen, unter Anderen der General Kleber (sic! also doch!?), den vielleicht sein unzeitiger Tod in Ägypten verhindert hat, Napoleon den Ruhm des ersten Kriegsführers ….seiner Zeit streitig zu machen.“

 

Im Hotelprospekt Wilkinghege erfahren wir, leider unbelegt, eine nette Anekdote. Bei einer täglichen Fechtübung soll er dem Leiter der Institution Frhr. Franz von Fürstenberg den Degen aus der Hand geschlagen haben, worauf ihm dieser erbost ein unrühmliches Karriereende in Aussicht stellte. Kléber soll daraufhin zurück nach Frankreich gegangen sein. Er war Elsässer.

Zur Erinnerung, gemeint ist hier der junge Mann, der später als General Napoleons diesen auf seinem Feldzug in Ägypten bis zu den Pyramiden geführt hat.

 

Leider fehlen Quellenangaben zu der Behauptung, die sich bis heutzutage auch auf der Homepage des Hotels befindet.

 

Ich möchte es ja auch gerne glauben und hoffe nun etwas zur Aufhellung beitragen zu können. Hat doch 1890 der bayerische Autor Friedrich Teicher in einem Aufsatz versucht, dieses zu widerlegen. Teicher geht von einem Schreibfehler aus. Man habe einfach in Frankreich Münster mit München verwechselt. Es sei folgendermaßen: Kleber sei von 1775-77 Kadett in München gewesen, wobei auch dieser Autor dafür keinen „aktenmäßigen Beleg“ finden konnte.

 

Er fühlte sich jedoch durch eine französische Biographie Klebers von 1802 bestätigt, worin zweimal München erwähnt sei, sowie der Hinweis des Münchner Polizeidirektors Baumgärtner († 1831).

 

Teichert negiert einfach das Vorhandensein einer Kadettenanstalt in Münster, wobei er, wie wir gesehen haben, jedoch wohl irrte. Er räumt jedoch ein, falls Kleber in Münster gewesen sei, dann zum Studium der Architektur. -

Also, das scheint doch sehr konstruiert zu sein.

 

Immerhin steht auch in der Personalakte des französischen Kriegsministeriums Münster, wie der Autor zugeben musste. Er räumt auch ein, München habe damals noch nicht die heutige (1890) Bedeutung gehabt, während Münster häufig in den Blick der Politik Frankreichs geraten war.

 

So war Schloss Wilkinghege auch einmal im Siebenjährigen Krieg Hauptquartier der französischen Armee, was den Münsteranern ihr Töttchen bescherte. So sahen die Einheimischen in Wilkinghege die Franzosen etwas essen, was wir heute allgemein Ragout Fin nennen und den Münsteranern fremd war. Also erkundigten sie sich, um was es sich dabei handelte. Man antworte Ihnen, das sei Tète de veau en tortu, woraus die sprachfesten Münsteraner „Töttken“ machten und dann die französische Spezialität mal besser, mal schlechter selbst herstellten.

Was sagt nun die Wissenschaft zu diesem „Streit“?

Laut aktueller Auskunft des Landesarchivs in Münster, das mir 146 Seiten Quellenstellen zum Schloss freundlicherweise zur Verfügung stellte (mein Dank gilt besonders Dr. Jens Heckel) ist darin weder etwas zur Kadettenschule noch zur Person Kléber genannt. Leider konnte ich nicht zur Aufklärung der Sachlage beitragen und nur die unterschiedlichen Meinungen darstellen. - Bis eine Entscheidung getroffen ist, kann sich jeder seine eigene Meinung bilden.

 

Nun, und dann geriet das Gebäudeensemble langsam in Vergessenheit, wurde ein edlerer Bauernhof bis am 22. März 1955 Gäste einzogen, um gut zu essen und zu übernachten.


Leider brach Ostern 1958 ein großes Schadfeuer aus, das auch das alte Mobiliar und andere Einrichtungsgegenstände vernichtete, da dies alles unter dem hohen Dach eingelagert war. Zum Glück wurden die äußeren Schäden beseitigt und das Hotel in neuen Glanz überführt.


Der Autor Frank-E. Skrotzki

Geboren 1942; Kriegsbedingt nach Köln, Berlin (Klein-Machnow), Innsbruck, Hann.-Münden und Bielefeld. 1952 in Münster angekommen. Dort, nach Intermezzo auf dem Schlaungymnasium auf dem Schillergymnasium glücklich geworden. Nach dem Abitur folgte das Studium der Humanmedizin in Münster und Facharztausbildung an verschiedenen Orten. Schließlich Niederlassung als Augenarzt in Dülmen.

 


Quellen

Text und Idee: Frank-E. Skrotzki

Abbildungen soweit nicht anders benannt: Frank-E. Skrotzki

Redaktion: Henning Stoffers