Oktober 2019

Liebe Leserin, lieber Leser,

heute sind vom münsterschen Schlachthof keine Spuren mehr zu finden. Er lag an der Schlachthausstraße (heute Rjasanstraße) in direkter Nähe der Aa. Inzwischen ist am damaligen Standort ein Wohnkomplex mit einem Supermarkt entstanden.

 

Dieser Beitrag erinnert an ein mehr als 100 Jahre altes münstersches Unternehmen.

 

Ihr Henning Stoffers


Von der Hausschlachtung zum Schlachthof

... und was aus ihm wurde

Als es noch keine Schlachthöfe gab

Metzgerei Mennmann, Wolbecker Straße 10 um 1910 - Sammlung Henning Stoffers
Metzgerei Mennmann, Wolbecker Straße 10 um 1910 - Sammlung Henning Stoffers

Den Beruf des Metzgers oder des Straßenschlächters gibt es seit Jahrhunderten. 1685 zählte unsere Stadt 30 Fleischhauer und Straßenschlächter nebst Knechten und Lehrlingen. Die Einwohnerzahl (ohne Klerus) betrug lediglich 6.901 Seelen.

 

Die hygienschen Zustände waren katastrophal. Blut und sonstige Schlachtabfälle gingen in die Gosse und von dort aus in die Aa oder versickerten im Erdreich. Die Abwasserkanalisation kam erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Münster. Die Fleischbeschau nach vorgegebenen Regeln gab es nicht.

Elfköpfige Familie Bernhard Schäper mit Ziege in der Buddenstraße - Sammlung Henning Stoffers
Elfköpfige Familie Bernhard Schäper mit Ziege in der Buddenstraße - Sammlung Henning Stoffers

In der Stadt kamen nicht nur Fleischwaren der ansässigen Metzgereien zum Verkauf, sondern auch Erzeugnisse aus der näheren Umgebung. Geschlachtet wurde auf Bauernhöfen und überall dort, wo Schlachttvieh gehalten wurden (Hausschlachtungen).

 

Die Kiepenkerle, die von außerhalb nach Münster zum Verkauf an der Haustür kamen, hatten neben den üblichen Kämmen, Bürsten und anderen Haushaltswaren oft auch Schmackhaftes in ihrer Kiepe. Ein Hühnchen, ein Karnickel oder Würste konnten u.a. im Angebot sein.

Eigenes Vieh zu halten, war nicht ungewöhnlich. Hühner, Ziegen und Kühe gehörten zum Stadtbild. Der Name der Kuhstraße erinnert daran.

 

Baron Alfred von Renesse warb im frühen 19. Jahrhundert für die Haltung von Ziegen zur Selbstversorgung der Bevölkerung. Er bezeichnte die Ziege als die 'Kuh des kleinen Mannes' und gründete den Ziegenzuchtverein. Sogar ein Denkmal mit einer Ziege wurde in einem Biergarten aufgestellt. - Als münstersches Original war von Renesse als ,Ziegenbaron' bekannt.

Gründung von Schlachthäusern

Stadtplan 1892 mit Schlachthaus - Ausschnitt
Stadtplan 1892 mit Schlachthaus - Ausschnitt

Das Zeitalter der Urbanisierung war angebrochen. Hygienische Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor gesundheitlichen Risiken traten in den Vordergrund. Vieles sprach daher dafür, die Schlachtung zu konzentriern und in öffentliche Schlachthäuser zu verlagern.

 

Der preußische Staat erließ 1868 ein Gesetz, das aber erst nach seiner Novellierung 1881 zur landesweiten Gründung von Schlachthäusern mit tierärztlicher Fleischbeschau führte.

 

Auch heute noch gibt es Hausschlachtungen, für die gesetzliche Vorschriften maßgeblich sind.

Die Grundstückslage - An der Peripherie der Stadt

Stadtplan um 1905
Stadtplan um 1905

Münsters Rat beschloss 1882, im nördlichen Stadtgebiet ein Schlachthaus als Monopolbetrieb zu errichten. Beeinflusst wurde die Standortwahl von der nahegelegenen Aa. Das Flüsschen, das an dieser Stelle die Stadt verließ, sollte - wie in Jahrhunderten zuvor - Blut, Fäkalien und andere Abfälle mit sich nehmen. Man glaubte, in guter Absicht zu handeln. Ein ausgeprägtes, kritisches Umweltbewusstsein gab es in jener Zeit nicht. Noch Ende der 1950er Jahre gelangten Schlachtabfälle in die Aa.

 

Das Baugrundstück lag zwischen der Kanal- und der Gartenstraße - dort wo sich einst die Enkingmühle befand. Der Mühlenweg hieß später Niedersachsenring. Der im Stadtplan verzeichnete ehemalige kleine Friedhof für Strafgefangene ist zwischen der Strafanstalt und dem Schlachthaus gut zu erkennen; heute eine Rasenfläche gegenüber der Einmündung zur Kolpingstraße.

Der Bau des Schlachthauses

Auszüge aus dem Einwohnerbuch von 1875 - ca. 35.000 Einwohner


Laut Einwohnerbuch von 1875 zählte Münster mehr als 40 Metzger und drei Pferdemetzger. Davon unterhielten 15 Metzger eigene Schlachtstellen. Diese Metzger mussten bei der Eröffnung des Schlachthauses im Jahre 1885 ihre Schlachtstellen aufgeben. Die Stadt zahlte daher den Metzgern zum Ausgleich Entschädigungen. - Die Metzger bezogen nunmehr das Fleisch vom Schlachthof und produzierten wie bisher ihre Fleisch- und Wurstwaren.

Schlachthaus um 1930 - Mittig der Kühlturm
Schlachthaus um 1930 - Mittig der Kühlturm

Gebaut wurden drei Schlachthallen für Rinder, Schweine und Pferde. Wichtig war der Bau eines Kühlhauses mit einer Anlage zur Eisherstellung. Das Eis wurde auch an Metzger, Bierverleger und an Besitzer von Eisschränken (Vorläufer der elektrischen Kühlschränke) verkauft.

 

In anderen Gebäuden befanden sich die Verwaltung, Stallungen und weitere Bereiche, in denen Felle, Därme und sonstige Schlachtabfälle weiterverarbeitet wurden.

 

Von der städtischen Stromversorgerung war der Schlachthof unabhängig. Für die Beleuchtung und die elektrischen Maschinen gab es eine eigene elektrische Anlage zur Stromerzeugung.

Schlachthaus um 1930
Schlachthaus um 1930

Das Unternehmen

Statistik: Schlachtungen 1936 im Schlachthof Münster
Statistik: Schlachtungen 1936 im Schlachthof Münster

Die Statistik aus dem Jahr 1936 belegt eindrucksvolle Zahlen. Arbeitstäglich wurden ca. 130 Tiere geschlachtet. Lediglich 120 Tiere waren in diesem Jahr für den menschlichen Verzehr nicht oder nur bedingt geeignet.

Einwohnerbuch 1910
Einwohnerbuch 1910

Wirtschaftliche Erfolge konnte der Schlachthof während seines gesamten Bestehens nicht aufweisen. Die finanziellen Defizite mussten seitens der Stadt getragen werden. Es gab größere Investitionen, die die Wirtschaftlichkeit nicht positiv veränderten.

 

Nach den Bombentreffern im 2. Weltkrieg gab es Ende der 1950er Jahre einen Wiederaufbau. Das finanzielle Kernproblem bestand weiterhin, so dass 1979 die Privatisierung erfolgte. Die nachfolgenden Besitzerfirmen hatten ebenfalls hohe Verluste und konnten die Pacht an die Stadt nicht mehr zahlen.

Viehhalle um 1970 - Foto Stadtarchiv
Viehhalle um 1970 - Foto Stadtarchiv
Viehhalle um 1970 - Foto Stadtarchiv
Viehhalle um 1970 - Foto Stadtarchiv

Das Ende

Luftaufnahme 1977 - Foto Stadtarchiv
Luftaufnahme 1977 - Foto Stadtarchiv
Neu erbauter Kühlturm um 1970 - Foto Stadtarchiv
Neu erbauter Kühlturm um 1970 - Foto Stadtarchiv

Als der Schlachthof gebaut wurde, lag er am Stadtrand, und zwar jenseits der inzwischen gewachsenen dichten Wohnbebauung. Die mit dem Betrieb verbundenen Belästigungen (Geräusche, Gerüche etc.) der Nachbarschaft waren mit ein Grund, das Grundstück einer anderen Nutzung zuzuführen.

 

Der Schlachtbetrieb war inzwischen eingestellt worden, als 1995 ein Ideenwettbewerb zur Bebauung des Grundstücks ausgeschrieben wurde. Es entstand ein Gebäudekomplex mit Wohnungen, Büros und einem Supermarkt.

Metzgerei Bernhard Mennemann
Metzgerei Bernhard Mennemann

Die Schlachthausstraße erhielt in diesem Zusamenhang einen neuen Namen: Rjasanstraße. Vermutlich wurde der alte Name für eine Wohnadresse als nicht fein genug erachtet.

 

Dies ist insbesondere deswegen schade, weil ein Stück unserer Geschichte der Vergessenheit überlassen wird. Es erinnert nichts mehr an ein traditionelle Unternehmen, das 100 Jahre in unserer Stadt seinen Standort hatte und Münster und sein Umland mit Feischprodukten versorgte.

Ansicht von der Gartenstraße - Foto Henning Stoffers
Ansicht von der Gartenstraße - Foto Henning Stoffers

Zu guter Letzt

Vielleicht erinnern sich einige Münsteraner noch an die Pferdeschlachterei Franz Schlebusch in der Sonnenstraße. Später firmierte man unter Schlebusch und Wulff. Es gab in den 1960er Jahren Verkaufsstellen in der Ritterstraße und in der Hammer Straße.

Die nebenstehende Anzeige ist sehr aufschlussreich. Schlebusch kaufte u.a. Pferde auf, die bei Unfällen verendet waren. Als Fleischlieferant gingen seine Produkte zur Tierfütterung auch an den münsterschen Zoo.

 

Mit diesem Spruch wurde geworben:

Iß män noch nen Happen

von Franz Schlebusch seinen Rappen


Quellen

Text und Idee: Henning Stoffers

Abbildungen, sofern nicht anders angegeben: Das Schöne Münster 2/1938

Benutzte Literatur:

Geschichte der Stadt Münster, Band 2, Wolfgang R. Krabbe, Seiten 595 ff.

Das Buch der Stadt Münster, 1930, Seiten 233 ff.

Bevölkerungszahl und berufliche Gliederung Münsters am Ende des 17. Jahrhunderts - Hugo Heidemann, Westfälische Vereinsdruckerei 1917