März 2021

Liebe Leserin, lieber Leser,

Münster vor einem halben Jahrhundert. Wie sah damals unsere Stadt aus? Was hat sich verändert? Und so habe ich diesmal einen kurzweiligen und auch etwas nostalgischen Spaziergang in die 1960er, 1970er Jahre ausgewählt. Der erste Teil behandelt den Altstadtbereich.

 

Nun folgt der zweite Teil des Ausflugs. Diesmal geht es in die Bereiche außerhalb der Promenade. Die Wanderung führt unter anderem durchs Kreuzviertel, durch ruhige Wohnstraßen, zeigt einstige Gebäude und erinnert an Vergessenes. - Der dritte Teil behandelt alte Gaststätten, Neubaugebiete und einige Besonderheiten.

 

Ihr Henning Stoffers


Ausflug in die 60er-70er Jahre - Teil 2

Wie sehr sich ein Stadtbild im Laufe von 50-60 Jahren ändert, zeigt dieser kleine Spaziergang durch das Münster jener Jahre. Vieles erkennen wir kaum wieder oder mutet uns fremd an.

Das alte Kreuzviertel

Nordstraße 31
Nordstraße 31

Eines der letzten Ackerbürgerhäuser stand an der Nordstraße 31. Es waren einfachste Gebäude. Auf dem oberen Foto und darunter links ist das kleine Gemüsegeschäft von Amalia Blanke zu sehen. Nach dem Abriss entstand an dieser Stelle ein Wohn- und Geschäftshaus mit Apotheke und Arztpraxis.


Nordstr. 2
Nordstr. 2
Kettelerstr. 24
Kettelerstr. 24

Viele Einzelhandelsgeschäfte und kleine Handwerksbetriebe gaben den Stadtvierteln ihre Prägung. Das ehemalige Lebensmittelgeschäft (heute Röstbar) an der Ecke Nordstraße 2 und das Reformhaus Hagemann an der Kettelerstraße 24 sind Beispiele für den inzwischen vollzogenen Strukturwandel.

Verkehrssituation

Foto Erwin Schröder
Foto Erwin Schröder

Die Weseler Straße auf Höhe des Abzweiges zur Scharnhorststraße. - Die zunehmende Verkehrssituation beherrschte schon damals den öffentlichen Raum. In zentraler Stadtlage dienten große, leergeräumte Trümmergrundstücke als Parkplätze, wie zum Beispiel die Areale der Aegidiikaserne (heute Aegidiimarkt) und der Stubengasse. Auch der Domplatz wurde weitflächig als Parkplatz genutzt.

Das Bild zeigt die Hafenstraße in Richtung Ludgeriplatz um 1960. Rechts vor der Tankstelle geht es in Richtung Bahnhof, links in die Friedrich-Ebert-Straße. Links wurde eine Werbesäule der Firma Carl Nolte aufgestellt. Der Betrieb für LKW-Planen, Zelte und Schutzkleidung befand sich in nächster Nähe.

 

Die Straße ist in einem desolaten Zustand. Der Teerbelag deckt das darunter liegende Kopfsteinpflaster nur zum Teil ab. - Heute  ist die Straße stark befahren.

Diese Fotografie von 1978 zeigt, wie sehr sich das Umfeld rund um den Bahnhof im Vergleich zu heute verändert hat. Parken war problemfrei möglich. Das Gebäude mit dem Rex-Kino - später Metropolis - und der Hähnchenbraterei ,Wiener Wald' wurde abgerissen und durch ein Hochhaus ersetzt. Auch das Bahnhofsgebäude wurde zwischenzeitlich neu gebaut.

Die Aufnahme von der ländlich ruhigen Wolbecker Straße mit der Herz-Jesu Kirche  entstand um 1960. Inzwischen ist es eine sehr stark befahrene Straße. Die Drogerie Peters im Hause Wolbecker Straße 139 gibt es lange nicht mehr. Heute hat dort die Hubertus-Apotheke ihren Sitz.

Das Geistviertel: Ein ruhiges Wohngebiet, nahe am dominant emporragenden Wasserturm gelegen. Nur vereinzelt parken Autos am Straßenrand. So stellte sich vor 50 Jahren das typische Straßenbild einer Wohnstraße dar.

Südpark mit Josephskirche
Südpark mit Josephskirche
Dahlweg Richtung Joseph-Kirche
Dahlweg Richtung Joseph-Kirche

Im Herzen des Südviertels ist auf dem ehemaligen Gelände der Trainkaserne der Südpark entstanden. Zwischen Dahlweg, Augustastraße, Südstraße, Kronprinzenstraße und Joseph-Kirche gelegen, ist der Park inzwischen für die Anwohner eine Oase der Entspannung und Erholung geworden. - Der Dahlweg vermittelt einen tristen Eindruck. Die fortschreitende Zunahme der Autodichte zeichnet sich an den Straßenrändern ab.

Das Jahr 1968 brachte nach nur zwanzigjährigem Einsatz das Aus für die O-Busse. Der enge Radius, in dem sich die Busse nur bewegen konnten, war ein Grund, dieses Verkehrsmittel abzulösen.

 

Zuvor prägten Straßenbahnen über 50 Jahre Münsters Stadtbild. Heute sähe eine solche Entscheidung wegen des gestiegenen Anspruchs auf Umweltfreundlichkeit und einer größer gewordenen Stadt sicherlich anders aus.

Auch dies gehörte zum Alltag: die Autowäsche am Samstagvormittag vor der Haustür. Ein Eimer Wasser, ein Ledertuch, Flüssigwachs und Watte waren die benötigten Utensilien. Nach einer Urlaubsfahrt oder einem Ausflug gehörte zusätzlich der Insektenentferner für Windschutzscheibe und Scheinwerfer zum unbedingten Muss. An die verursachte Verunreinigung des Bodens wurde nicht gedacht. Ein Problembewusstsein hatte sich noch nicht entwickelt.

 

Wilfried ,Schrolli' Schroeder erläutert das Bild:

Links Klaus Schröder, rechts Wolfgang Schröder (Pitty) als Kinder bei der Autowäsche auf dem Gelände ihres Vaters Bernhard (Pigalle) Schröder. Auf dem Platz an der Marientalstraße, wo heute Wohnhäuser stehen und das Schloßtheater, sieht man 2 große Anhänger mit den Schildern Bernh. Schröder, Münster i. W., Marientalstraße 34.

 

Bernhard Schröder fuhr in den 1950er Jahren ganz frühmorgens mit seinem großen Trecker und den beiden Anhängern dahinter in die Baumberge und holte die großen Sandsteinblöcke für den Domaufbau nach Münster und stellte diese zunächst auf seinem Platz ab. Im Hintergrund sieht man ein Gebäude der Kanonierstraße. An der Ecke Marientalstraße, Ecke Melchersstraße betrieb seine Frau einen Schreibwaren- und Zeitschriftenladen. Gegenüber war die Metzgerei August Gallas, heute Eschrich. Und auf der Melchersstraßenseite das Cafe´ Kerkfhoff.

Die Aa an der Kanalstraße

Die Aa an der Kanalstraße - Blick von der Brücke ,Zentrum Nord' zur Stadtmitte
Die Aa an der Kanalstraße - Blick von der Brücke ,Zentrum Nord' zur Stadtmitte

Gravierend hat sich das einst ruhige Landschaftsbild gewandelt.

1978: Parallel zur Kanalstraße fließt schnurgerade die Aa. Die links gelegenen Schrebergärten sind bereits für ein neues Gewerbegebiet abgeräumt worden. Der kurz zuvor erbaute Gebäudekomplex der Landesversicherungsanstalt (heute Deutsche Rentenversicherung) liegt im Hintergrund. Heute ist der Flusslauf renaturisiert. Auf der linken Seite der Aa sind mittlerweile das Zentrum Nord, eine Bahnstation, das Finanzamt, ein Rechenzentrum, die Ärztekammer, ein Bildungsinstitut und andere Einrichtungen entstanden.

Abbrüche

Längst Geschichte ist die Wefalia-Brauerei an der Geiststraße. 1968 erfolgte die Sprengung. Die Landeszentralbank (später Bundesbank) errichtet auf dem Gelände ein großes Verwaltungsgebäude. Nunmehr wird das Gebäude von der Universität genutzt.

Diese Aufnahme entstand im Juli 1970 und zeigt die Artilleriekaserne an der Grevener Straße vor ihrem Abbruch. Inzwischen befindet sich an dieser Stelle ein Einkaufszentrum (Saturn etc.). Auch dort, wo sich heute die Feuerwache 1 befindet, gab es eine militärische Einrichtung: das Korps-Bekleidungsamt. Wenige Meter daneben lag das alte Betriebsgelände der Germania-Brauerei.

Die Villa Zimmermann - benannt nach der Unternehmerfamilie - stand in Kinderhaus an der Ecke Grevener Straße-Am Burloh. Nach nur 68 Jahren wurde das 1903 erbaute herrschaftliche Gebäude 1971 abgerissen. Das Foto zeigt die Villa vor ihrem Abriss. Heute ist an dieser Stelle ein Wäldchen.

Der alte Zoo von 1875 wurde Anfang der 1970er Jahre von der Himmelreichallee in den südlichen Bereich des neuen Aasees umgesiedelt. Dort, wo einst Kamele, Löwen, Füchse, Meerschweinchen und andere Tiere ihr Zuhause hatte, entstand ein imposantes Bankgebäude, und zwar nach den Plänen des münsterschen Architekten Harald Deilmann.

Zu guter Letzt: Ein Abbruch der besonderen Art

2.9.1972 - Das Gehöft Alichmann mit Nebengebäuden im Bereich Siemensstraße-Geister Landweg wird abgerissen. Man entscheidet sich für den ,warmen Abruch'. Ein gegebener Anlass für die OSMO-Werkfeuerwehr, das Niederbrennen des Gebäudes praxisnah vor Ort zu üben. Es kommt zu einer immensen Rauchentwicklung, die damals als nicht problematisch angesehen wurde. Stehengebliebene Giebel wurden von den Feuerwehrleuten fachgerecht zum Einsturz gebracht.


Quellen

Text und Idee: Henning Stoffers

Abbildung soweit nicht anders angegeben:

Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank Thie - Stadtarchiv)