im Juni 2021

Liebe Leserin, lieber Leser,

Jutta Balster hat mit ihren Büchern unübersehbare Spuren in Münster hinterlassen. Ich hatte leider nur einmal einen kurzen Kontakt mit ihr. In dem Gespräch brachte ich meine Anerkennung zur ihren Büchern zum Ausdruck. Zu einem Treffen kam es wegen des plötzlichen Todes nicht mehr.

 

Bärbele Krug erinnert in diesem Beitrag an das Elternhaus Balster und insbesondere an das Leben ihrer Schwester Jutta.

 

Ich freue mich über die Veröffentlichung an dieser Stelle und auch darüber, dass nun mehr über das Leben von Jutta Balster zu erfahren ist.

 

Ihr Henning Stoffers


Bärbele Krug: Erinnerungen an meine Schwester Jutta Balster

Bärbele Krug
Bärbele Krug

Mit Dr. Frank-E. Skrotzki sprach ich über meine im vergangenen Jahr verstorbene Schwester Jutta Balster. Mir ist es ein besonderes Anliegen, an Juttas Leben zu erinnern, das mit Münster aufs engste verbunden war. Frank empfahl mir, Henning Stoffers anzusprechen, der gern auf meinen Wunsch einging.

 

Hier sind nun meine Erinnerungen, sicherlich nicht vollständig, aber sehr gern und mit Herzblut geschrieben.

 

Es gäbe noch vieles mehr zu erzählen, aber dies vielleicht später einmal.

Das Elternhaus

Unsere Eltern:

Margot Balster, Krankenschwester - *11.12.1924 - †19.5.2005

Bernhard Balster, Offizier bei der Bundeswehr - *8.6.1919 - †11.12.2007

Mein Vater starb zweieinhalb Jahre später auf dem Geburtstag meiner Mutter. Gleichzeitig war es auch ihrer beider Hochzeitstag!

Die Eltern
Die Eltern

Er machte 1937 sein Abitur auf dem Schlaun-Gymnasium (damals Oberrealschule). Der Architekt Professor Harald Deilmann war sein Schuldfreund.

 

Er hatte ursprünglich vor - wie seine älteren Schwestern - auch Schauspieler zu werden. Entschied sich dann allerdings für ein Jurastudium. Jedoch machte ihm der Krieg einen Strich durch die Rechnung.

 

Seine Schwestern waren Elsa und Wilma; studierten beide Balett und Gesang an der Musikschule in Münster. Elsa galt als einer der größten Soubretten seinerzeit. s. auch Foto Romberger Hof Münster altes Theater — Lortzingtheater. Später Graz, Nürnberg, Salzburg etc.

Meine Tante Elsa Balster vor dem Theatereingang! Sicher haben diese Fotos Seltenheitswert!
Meine Tante Elsa Balster vor dem Theatereingang! Sicher haben diese Fotos Seltenheitswert!
Der Vater
Der Vater

Mein Vater hatte wohl vor, viele Kinder zu bekommen, denn er sortierte deren Namen nach dem Alphabet. Bis E hatte er es immerhin geschafft: Alexandra (Jutta), Bärbele, Cornelia (Nina), Dietmar und Elmar.

Meine Schwester Jutta ist die Älteste von fünf Kindern und kam am 2.12.1947 in Münster zur Welt.

 

Wir wuchsen sehr behütet auf. Da wir zunächst nur eine relativ kleine Wohnung hatten, wollte unser Vater unsere Mutter ein wenig entlasten und schnappte seine 5 Kinder fast täglich, nach getanem Job, und machte mit uns ausgiebige Fahrradtouren, z.B. zum KÜ und in die Rieselfelder!

Jutta mit Schwestern am Aasee
Jutta mit Schwestern am Aasee
Jutta
Jutta

Zoobesuche standen selbstverständlich an der Tagesordnung — mehr oder weniger! Natürlich gehörten ein Besuch im Schlossgarten und botanischen Garten naturgemäß dazu - lag ja quasi vor der Haustür. Mein Vater war sehr naturverbunden und lehrte uns Alles bei diesen täglichen Ausflügen über Flora und Fauna. Kein Vogel und Baum waren uns fremd. Sogar eine Fahrradtour zum Steinhuder Meer mit Übernachtungen in Jugendherbergen machten wir.

 

Jutta fand es in diesem Alter natürlich nicht so witzig. Sie wird so 15 Jahre alt gewesen sein. Jedoch lernte sie einen netten Jungen, Hajo A. aus Hagen kennen (ich weiß sogar seinen Namen noch ... da ich ihn auch gaaanz toll fand 😆). Ihre Sichtweise änderte sich naturgemäß spontan. Wie lange diese Geschichte andauerte, weiß ich nicht mehr.

Auf dem Balkon Körnerstraße 2 - Jutta neben der Mutter
Auf dem Balkon Körnerstraße 2 - Jutta neben der Mutter

Meine Eltern und Jutta wohnten zu Beginn Mitte bis Ende der 40iger Jahre auf der Dechaneistrasse. Anschließend direkt am Aasee, Körnerstrasse 2. Das Haus steht immer noch ... direkt zu Beginn der Straße vom Aasee ausgesehen. Es war nett anzusehen ... weiß verputzt mit grünen Blendläden. Wir alle spielten als Kinder in dem dazugehörigen Hof und natürlich am Aasee. Dort lernten Jutta und ich auch schwimmen. Man konnte von unserem Ufer direkt zur anderen Uferseite zur Jachtschule Overschmidt schwimmen, welche schon damals am Start war.

 

Später zogen wir in die Universitätsstrasse 23. Die Wohnung war sehr bescheiden von der Größe her. Dort spielten wir alle auf dem Rasen der juristischen Fakultät - meistens Federball. Meine Mutter machte ihre Einkäufe mitten in der Stadt bei Althoff (später Karstadt). Diese boten damals schon einen Lieferservice an und dieser belieferte uns jeden Freitag.

 

Toll für uns Kinder war natürlich, dass wir den Send direkt vor der Haustür hatten. - 1964 bezogen wir schließlich ein eigenes, schönes Haus in der Fliednerstrasse.

Juttas Wechsel 1958 zum Gymnasium und meine Einschulung
Juttas Wechsel 1958 zum Gymnasium und meine Einschulung

Ausbildung + Leben

Jutta arbeitete als Arzthelferin, dann kam das Studium Sozialpädagogik mit anschließender Tätigkeit beim Kinderschutzbund in Münster.

Bunter Vogel 1977:  Vorne links Jutta, Bärbele, Nina und meine Mutter.
Bunter Vogel 1977: Vorne links Jutta, Bärbele, Nina und meine Mutter.

In den 90iger Jahren wurde sie plötzlich Wirtin, um es ihrer Schwester Nina gleich zu tun. Zusammen mit dieser und einer gemeinsamen Freundin eröffneten sie „Die Glocke“ im Kreuzviertel. Es sollte eine reine Frauenkneipe werden. Unser Bruder Dietmar war zwar auch mit von der Partie. Er war sozusagen die männliche Ausnahme! Später leitete Jutta das Lokal alleine. 

Leider starb unser Bruder mit nur 44 Jahren 2001. Ein wirklich schwerer Verlust für die ganze Familie!

Jutta mit Max
Jutta mit Max

Aber auch die Geschichte des Kreuzviertel und überhaupt ihrer Heimatstadt selbst hatten es ihr angetan. So fing sie an, wie besessen, von Haustür zu Haustür zu laufen oder fuhr die Straßenzüge mit ihrem geliebten Fahrrad ab und „erbettelte“ sich Fotomaterial und Geschichten aus der damaligen Zeit.

Juttas liebster Freund war ohnehin ihre „Leeze“. Sie erledigte alles damit ... war immer dabei, es war ihr ständiger Begleiter. All ihre Recherchen zu den Büchern wären ohne Rad nicht möglich gewesen.

 

Die Familien stellten ihr meistens gerne ihre alten Familienfotos zur Verfügung. So erschienen schließlich in den darauffolgenden Jahren ihre Bücher:

„Das Kreuzviertel in Münster - Bilder aus seiner Geschichte“ 1991

„Münster vor 100 Jahren“ 1997

„Clara Ratzka - Leben und Werk einer Künstlerin“ 2001

Wohnungen

Ihre Wohnungen hatte Jutta immer in der Innenstadt von Münster, welche sie immer mit sehr viel Liebe und sicherem Geschmack einrichtete. Erstaunlich allerdings, dass sie immer wieder umzog!

 

Angefangen von der Frauenstrasse bis hin zur Stiftsherrenstrasse mit Blick auf die Martini Kirche. Eines ihrer schönsten Domizile war sicherlich die Wohnung über der „GLOCKE“, direkt an der Heilig-Kreuz-Kirche.

 

Das Highlight allerdings war ihre wunderschöne Wohnung im Herzen der City, nämlich direkt auf dem Prinzipalmarkt im Gebäude Nr. 42, mit Blick auf die Lambertikirche mit Brunnen. Der Traum eines jeden Münsteraners. Dort verbrachte sie einige tolle Jahre.

Urlaube + Reisen

Reisen waren ihr überhaupt nicht wichtig. Klar, als ihr Sohn noch klein war, ist sie mit ihm häufiger an die See nach Holland gereist.

 

Doch später lebte sie gerne in ihrer eigenen Welt. Es waren vornehmlich Gedankenreisen! Sie machte einfach keinen Urlaub ... aber freiwillig!

Sie war verbunden mit ihrer eigenen Scholle. Dazu passt, dass sie sich hin und wieder eine kleine Reise nach Dülmen gönnte — 30 km von Münster entfernt. Dort verbrachte sie ihren Kurztrip in der idyllisch gelegenen „Teichsmühle“, um in Ruhe ihren schriftstellerischen Arbeiten nachzugehen. Gleichzeitig besuchte sie mich, im Haus Osthoff, dass ich, ihre Schwester mit dem Künstler Bernhard Krug bewohnte.

 

Sie genoß dieses denkmalgeschützte Haus mit dem dazu gehörigen, barocken, preisgekrönten Garten.

Charakter

Als Jugendliche war sie ziemlich rebellisch, geschuldet der damaligen, konservativen, kleinbürgerlichen, spießigen Zeit. So war es den Schülerinnen verboten, in Hosen zur Schule zu kommen. Die Wohnung verließ sie zwar im Rock, im Keller zog sie sich aber eine lange Hose an, die sie dort versteckt hatte. Die Mutter sollte es nicht wissen. Mit der langen Hose ging sie in die Schule, was einen unangenehmen Elternbrief auslöste.

 

Ihre Eigenschaften:

Spontan, sehr selbstbewusst, offen für alle auch Andersdenkende, genügsam, witzig und humorvoll, kumpelhaft, ehrlich ... manchmal auch direkt. Da wusste man, woran man war...

Anekdoten

Eines der letzten Bilder! Es zeigt sie auf der Hochzeit ihres Sohnes
Eines der letzten Bilder! Es zeigt sie auf der Hochzeit ihres Sohnes

Ein witzige Begebenheit kann ich erzählen:

Es geht um das Buch „Münster vor 100 Jahren“. Dort hatte meine Schwester ein Klassenbild der Untertertia des Schlaungymnasiums eingereicht. Auf diesem Bild ist unserer Vater vorne rechts in der zweiten Reihe zu sehen ...

der Junge mit der runden Nickelbrille. Der Verlag entschied, auch dieses Foto zu veröffentlichen. Als Jutta dann das Buch zur Korrektur bekam, blätterte sie wie von Sinnen in dem Buch herum, um dieses Foto ihres Vaters zu finden.

 

Was war passiert? Man hatte dieses Bild aus Platzgründen verkleinern müssen, sodass ihr/unser Vater nicht mehr zu sehen war. Für Jutta natürlich richtig tragisch!

Aufgeregt telefonierte sie direkt mit dem Verlag und besuchte mit dem Fahrrad die zuständige Redaktion, um denen zu erklären, dieses Foto an anderer Stelle zu beschneiden. Gott sei Dank hatte man Verständnis.

 

So gerne hätte sie noch die Verfilmung des Romans über Clara Ratzka erlebt, denn sie hatte schon einige Kontakte diesbezüglich erfolgreich geknüpft!

Abschied

Leider starb sie relativ plötzlich an einer unheilbaren Krankheit mit 72 Jahren am 20. 7. 2020.

 

Wirklich sehr, sehr schade!



Quellen

Text und Bildmaterial: Bärbele Krug

Redaktion: Henning Stoffers