Liebe Leserin, lieber Leser,

den vielseitigen münsterschen Schauspieler, Autor und Regisseur Hannes Demming wollte ich schon immer einmal kennenlernen. Ich hatte viel von ihm gehört und gelesen, beispielsweise seine wöchentliche plattdeutsche Kolumne in den Westfälischen Nachrichten. Ich denke an seine Bühnenauftritte, an die ich mich gern erinnere.

 

Nun hat er aus seinem Leben erzählt - ereignisreich, prall und voller Facetten. Das Wichtigste über seine Jugend und den Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit - aber natürlich nicht alles - habe ich auf dieser Seite niedergeschrieben. Mehr kann auf seiner Webseite nachgelesen werden.

 

Ihr Henning Stoffers


Hannes Demming - Künstler, Original und Humanist

Foto Henning Stoffers
Foto Henning Stoffers
Foto Henning Stoffers
Foto Henning Stoffers

Hannes Demming wohnt in Pluggendorf. Eine kleine Wohnung ist sein Zuhause. Den Kaffee bereitet er ohne technischen Schnickschnack zu: frischgemahlenes Kaffeepulver, Papierfilter, kochendes Wasser drauf, ziehen lassen, fertig. Der Kaffee schmeckt wunderbar.

 

Wir sitzen in der Wohnküche. Die Fotografien und Plakate an den vollgehängten Wänden zeigen Stationen seines Lebens. Da ist ein Foto seiner früh verstorbenen Frau, dort ein Bild seiner Lieblingsklasse, dazwischen ein großformatiges Plakat einer Theateraufführung. Ein Bild zeigt ihn unter den Darstellern der Film-Triologie ,Die Zweite Heimat' des Regisseurs Edgar Reitz. - Es sind Bilder eines ereignisreichen Lebens.

 

Wir unterhalten uns. Seine Erinnerungen gehen zurück zu den Großeltern, den Eltern, den Fliegeralarmen, den Schulen und den Evakuierungen. Da gab es eine tiefe Freundschaft zu dem Schauspieler Hans-Dieter Schwarze, den er sehr verehrte. Und es gab Menschen, die für seinen Lebensweg entscheidend waren, und denen er dankbar ist. Hannes erzählt detailreich, als wäre es erst gestern gewesen.

Foto Henning Stoffers
Foto Henning Stoffers

Kindheit in turbulenten Zeiten

Drei Tanten mit Hannes am sommerlichen Flugfeld Loddenheide
Drei Tanten mit Hannes am sommerlichen Flugfeld Loddenheide

Hannes kommt 1936 in Münster zur Welt. Er ist der älteste der sechs Geschwister. Der Vater Bernhard arbeitet bei der Wehrmacht als Lohnstellenleiter. Zuvor musste er seinen Beruf als Steiger auf einer Zeche während der Weltwirtschaftskrise zwangsweise aufgeben. Eine Staublunge bleibt ihm als leidvolle Erinnerung. Die Mutter Änne, eine gelernte Putzmacherin, arbeitet bei der Post als ,Fräulein vom Amt'. Der Großvater mütterlicherseits war Chef der Militärverwaltung in Münster. Der Vater trägt als kleiner Mitläufer stolz das Parteiabzeichen, den Kuckuck.

Papa Bernhard mit Schwester Gerda und Hannes (auf dem damaligen Hindenburgplatz)
Papa Bernhard mit Schwester Gerda und Hannes (auf dem damaligen Hindenburgplatz)

Es sind gutbürgerliche Verhältnisse, in denen Hannes aufwächst. Früh verspürt er den Geist des Nationalsozialismus, und zwar in einem Rot-Kreuz-Kindergarten, in dem es laut und derb zugeht. Hannes verweigert nach ein, zwei Tagen den weiteren Besuch und bekommt einen Platz in dem Aegidii-Kindergarten, der von einer Nonne geleitet wird. Hier fühlt er sich wohl.

 

Die Zeit der Luftangriffe beginnt. Hannes erinnert sich an die Sirenen, die Flak und an die Finger der Scheinwerfer, die den dunklen Himmel nach Flugzeugen absuchen. Er hört, im Keller sitzend, das Pfeifen der herunterrauschenden Bomben. 20-30 dieser Luftangriffe erlebt Hannes. Ein traumatisches Erleben für ein Kind. - Auch heute beschleicht ihn eine Beklemmung, wenn er einen Keller betritt.

 

Die Demmings werden zum Schutz vor den Bomben evakuiert. Der Vater bleibt allein zurück in Münster, um seiner Arbeit nachgehen zu können.

Drei Tanten mit Hannes am sommerlichen Flugfeld Loddenheide
Drei Tanten mit Hannes am sommerlichen Flugfeld Loddenheide

Stationen sind Mengeringhausen b. Arolsen, Germete b. Warburg, Stockum b. Coesfeld, Neuenkirchen bei Rheine (bis 1952). Auch sollte es einmal zur Evakuierung mit dem Zug nach Oberbayern gehen. An den überfüllten Bahnhöfen schützen Fesselballons Menschen vor heranfliegenden Flugzeugen.

 

Die bayerische Bäuerin, die die Familie aufnehmen soll, empfängt die Ankömmlinge äußerst feindselig. Die Mutter entscheidet, dass man hier nicht bleiben kann. Mit ihren Kindern und einem begleitenden Mädchen tritt sie sofort die strapaziöse Rückreise an. Seit dieser Zeit hat Hannes zu den Bayern ein ,angespanntes' Verhältnis.

Mit Hilfe des Großvaters findet die Familie in Neuenkirchen eine Bleibe. Der Vater, 1943 als Soldat zur Wehrmacht eingezogen, wird im September 1945 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Am Tag seiner Rückkehr in Neuenkirchen stirbt der Großvater.

 

Mangels eines ,ordentlichen' Leichenwagens wird das Auto eines Freundes zum Transport umfunktioniert. Der Großvater wird auf den Beifahrersitz gesetzt und festgebunden. Er bekommt einen Hut aufgesetzt, und ab geht die Fahrt nach Münster. Auf dem Zentralfriedhof findet die Beisetzung statt.

Teil des handgeschnitzten Krückstockes aus der Zeit der Kriegsgefangenenschaft des Vaters
Teil des handgeschnitzten Krückstockes aus der Zeit der Kriegsgefangenenschaft des Vaters

Schulen

Hannes als Schüler
Hannes als Schüler

In diesen unruhigen Zeiten geht Hannes auf die Volksschulen in Germete, Stockum und Neuenkirchen. Ein Jahr lang fällt der Unterricht sogar ganz aus. Hannes hat aber das große Glück, dass sein Neuenkirchener Lehrer Anton Bednorz ihn und einige weitere Schüler besonders fördert, damit sie das Gymnasium besuchen können.

 

Anton Bednorz, Vater des Nobelpreisträgers Johannes Georg Bednorz, hatte erkannt, dass die von ihm ausgewählten Jungen nur mit einem Zusatzunterricht eine Chance fürs Gymnasium bekämen.

 

Ab 1947 besucht Hannes nach bestandener Aufnahmeprüfung das Gymnasium Dionysianum in Rheine. Aber 1952 steht bereits der nächste Schulwechsel an. Der Vater bekommt nämlich nach siebenjähriger Arbeitslosigkeit bei der LVA eine schlecht bezahlte Anstellung in Münster. Hannes wechselt zum Paulinum. Weil das Geld knapp ist, arbeitet er in den Ferien als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter und Bauhilfsarbeiter. Das Abitur legt er als Klassenbester 1956 am Paulinum ab.

Weichenstellung

Otto Dunkelberg an der Orgel
Otto Dunkelberg an der Orgel

Oft sind es nur die kleinen Ereignisse oder scheinbar unbedeutende Episoden, die den künftigen Lebenslauf - wie bei einer Weiche - entscheidend beeinflussen. Eine solche Weiche stellt sich für Hannes am Dionysianum in Rheine. Sein Musiklehrer Otto Dunkelberg, ein begnadeter Organist und von Hannes sehr verehrt, spielt ihm drei Tonschritte - einen Tritonus - vor und fordert ihn auf, die Töne nachzusingen. Hannes kann es - fehlerfrei. Sein Talent ist erkannt und wird besonders gefördert. Von nun an hat Hannes in Musik immer eine Eins. Das Tor zur musikalischen, künstlerischen Entwicklung hat sich geöffnet.

Anekdotisches über Franz Homoet

Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank Thie - Stadtarchiv)
Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank Thie - Stadtarchiv)

Hannes hat Franz Homoet, genannt Fränzken oder Herr Doktor, als Kunsterzieher am Paulinum. Eine Exkursion führt die Klasse unter Fränzkens Leitung in das alte Landesmuseum, um eine Ausstellung zu besuchen. Eigentlich muss er die Schüler zur Schule zurückbegleiten, aber Fränzken zieht es zu Stuhlmacher, um ein Bierchen zu trinken.

 

Die Jungen tollen vor dem bischöflichen Palais herum und machen keine Anstalten, den Rückweg anzutreten. Fränzken ist verärgert und macht mit seinen Händen eine ,Flüstertüte' und ruft mit Stentorstimme ,Trollt euch ihr Säue, der Bischof kommt mit Weihwasser!' Die gewünschte Wirkung tritt sofort ein...

Studium + Beruf

Als Student
Als Student

Hannes studiert an der WWU Münster 1956 - 1963 u.a. Archäologie, Englisch, Germanistik, Griechisch, Latein, Pädagogik, Philosophie und Psychologie.

 

Während des Studiums arbeitet er als Werkstudent  an der LVA Westfalen, ist Hilfs-Organist und Küster an St. Aegidii zu Münster und wird wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Altertumskunde der WWU Münster.

 

Hannes ist von 1963 bis 2000 als Lehrer tätig.

Die Stationen:

Augustinianum Greven, Paulinum Münster, Kardinal-von-Galen-Gymnasium Münster, Petrinum Recklinghausen, dort seit 1975 als Studiendirektor.

Die Unterrichtsfächer:

Latein, Griechisch, Englisch, Musik, Mathematik und Literatur.

Die ausgerutschte Hand

1956
1956

Hannes ist frischgebackener Referendar an seinem alten Gymnasium, dem Paulinum. Am ersten oder zweiten Tag wird er gebeten, eine Klasse zu informieren, dass die letzte Stunde ausfallen würde. Er geht in die Klasse. Großes Gejohle, Cassius Clay ist gerade Weltmeister geworden. Wild umtanzen die Jungen ihn. Plötzlich ein Filmriss, vielleicht nur wenige Sekunden. Hannes sieht, wie seine linke Hand von der Wange eines Schülers herabgleitet. Totenstille, tropf, tropf, tropf. Blut fließt aus der Nase des Jungen auf den Boden. Was kann Hannes in dieser entsetzlichen Situation tun? Tags zuvor war er vereidigt worden, körperliche Gewalt ist strengstens verboten. Reflexartig weist er den Schüler an, das Blut wegzuputzen. Dieser zieht seinen hellblauen Pullover aus und wischt damit das Blut weg.

 

Benommen geht Hannes zurück ins Lehrerzimmer. Er erzählt das Vorkommnis einem Kollegen. Nach der Beschreibung des Schülers meint der Kollege, wenn es der sei, an den er denke, dann würde dieser zuhause nochmals eine Abreibung erhalten.

Bange Tage des Wartens vergehen, es kommt zu keiner Beschwerde. Als Hannes einige Zeit später in der Klasse Griechisch unterrichtet, findet er äußerst disziplinierte Schüler vor.

 

Hannes hat sich den Ruf erworben, dass mit ihm nicht zu spaßen ist.

Wie Hannes Schauspieler wurde

In Münster angekommen, tritt der 16-jährige Hannes sofort in den Musikvereinschor ein. Bei großen Aufführungen ist er dabei, wie zum Beispiel bei der Matthäus-Passion, der Johannes-Passion oder bei den großartigen Carmina Burana von Carl Orff.


Die Premierenfeier nach der Aufführung des Trauerspiels ,Antigonae' von Carl Orff im Stadttheater wird für Hannes ein unvergessliches Erlebnis. Denn er sitzt den ganzen Abend neben Carl Orff und unterhält sich mit ihm. Dem jungen Sänger wird eine große Ehre zuteil. Dieses emotionale Erleben verstärkt seine Begeisterung für das Musische.

 

Hannes ist inzwischen Student, Mitglied der Studentenverbindung Alania und ständig im Opernchor-Einsatz im Stadttheater. Letzteres ist auch deswegen wichtig, weil es ein wenig Geld für die knappe Kasse gibt.


Erstkommunion - Im Hintergrund Gaststätte Freitag Mitte der 1950er Jahre
Erstkommunion - Im Hintergrund Gaststätte Freitag Mitte der 1950er Jahre

Nach einer Veranstaltung kommt er spät abends in sein Verbindungslokal Freitag an der Überwasser-Kirche. Dort wird Hannes offensichtlich sehnsüchtig erwartet, denn als er zur Tür eintritt, ruft ein Kommilitone ,Dat isser!'. Der künstlerische Leiter der Niederdeutschen Bühne, Dr. Konrad Maria Krug, möchte Hannes kennenlernen, weil er ihm empfohlen worden ist. Für das Stück ,Knubben' von Franz Mehring sucht er einen Darsteller, der Platt sprechen und einen debilen jungen Mann spielen kann, eben den ,Unwiesen Karl' in diesem Stück. Und dafür ist Hannes genau der Richtige.

 

So kommt Hannes Demming - ein echter westfälischer Charakterkopp - zum Theater und wird dort ein Leben lang bleiben.

,Die Zweite Heimat' - Triologie von Edgar Reitz mit Veronica Ferres,  Tana Schanzara, Susanne Lothar, Hannes Demming
,Die Zweite Heimat' - Triologie von Edgar Reitz mit Veronica Ferres, Tana Schanzara, Susanne Lothar, Hannes Demming

Nachruf von Hannes Demming für Manfred Schneider

WN vom 29.8.2020
WN vom 29.8.2020

Hannes Demmings plattdeutscher Nachruf für Manfed Schneider in den Westfälischen Nachrichten.

 

Mehr über Manfred Schneider ist hier zu finden.

Foto Henning Stoffers
Foto Henning Stoffers


Fragen + Antworten

Unwiese Karl
Unwiese Karl

Wie fühlte sich Familie Demming in den 40er und 50er Jahren in Neuenkirchen?

Als Evakuierte wurden wir zunächst als nicht vollwertige Mitbürger angesehen. Wir waren Zugereiste, Fremde; eben Menschen 2. Klasse. Die Flüchtlinge aus dem Osten wurden noch ablehnender behandelt. Sie gehörten der 3. Klasse an. - Ist es heute nicht viel anders, wenn wir an die geflüchteten Menschen denken, die zu uns kommen?

Warum wurdest Du Lehrer?

Katholischer Priester wurde ich (deo gratias) nicht; der Zölibat, der Zölibat! Arzt wurde ich nicht, weil ich Probleme bei dem Anschauen und dem Umgang mit Blut hatte, obwohl ich später 239-mal Blut gespendet habe. Schauspieler wurde ich erst auf Umwegen; die Berufsberatung riet mir behutsam davon ab: Da brauche es gut aussehende junge Männer. Lehrer wurde ich dann, weil das so in der Familie (väterlicherseits) lag. War in Ordnung.

Hättest Du in Deinem Leben etwas anders gemacht?

Ja, ich hätte öfter NEIN und weniger JA sagen müssen. Ich war zu bange, zu einfältig, zu gutmütig, zu arglos, vielleicht auch eine Mischung von allem.

Ehefrau Isolde - 2000 verstorben
Ehefrau Isolde - 2000 verstorben

Gab es Tiefpunkte in Deinem Leben?

Ja, das war eher eine Fläche: die lange Krankheit und der Tod meiner Frau haben mir sehr zugesetzt. Für meine zwei Bewerbungen beruflich, die nicht durchkamen, bin ich in der Rückschau heute sehr dankbar. 

War es schwierig, zwei Berufe im Einklang zu halten?

Das geht, wenn man sich mit weniger Schlaf zufrieden gibt, nicht zu zimperlich mit sich selbst umgeht und verständnisvolle Chefs in der Schule und auf der Bühne hat. 

Glückliche Momente auf der Bühne und privat?

Jede gelungene Première. Privat: Hochzeit, die Geburten meiner drei Töchter Bettina, Anke und Sophia; Anerkennungen, z.B. Münsternadel, Preis der Gesellschaft der Musik- und Theaterfreunde Münsters und des Münsterlandes, Rottendorf-Preis (Westfalen), Fritz-Reuter-Preis (Hamburg), Bundesverdienstkreuz; volle Eimer bei der Brombeersuche.

Welche Menschen haben Dich besonders beeindruckt? 

Prof. Otto Dunkelberg, GMD Dr. Robert Wagner, Hans-Dieter Schwarze, Kollegin Mimi Frenke, Generalintendant Achim Thorwald, Wolfram Mehring, Kollegin Marianne Rogée

Wie gehst Du mit ,Texthängern' um, oder gibt es diese nicht? 

Natürlich gibt es die. Man findet oft selbst durch Improvisation wieder hinaus. Oft hilft ein Kollege, eine Kollegin. Den soufflierenden Mitmenschen höre ich nicht. Wichtig: nicht über den Hänger nachdenken, sondern weitermachen!

Ein großer Wunsch? 

Möge das Niederdeutsche seinen Platz auf den münsterschen Theaterbrettern behalten.

Was denkst Du über Münster?

Es ist schön, aber gefährdet, weil es dabei ist, allmählich zu vergessen, dass es eine alte Hansestadt ist. Ich halte viel von dem alten Hanse-Spruch: Ehr' is Dwang noog! (Ehre ist Zwang genug.)

Worüber ärgerst Du Dich?

Über Rücksichtslosigkeit, Dummheit, Faulheit, Lügen. Die treten ja oft in Kombination auf!

In Carola von Seckendorffs ,Der Ordner'
In Carola von Seckendorffs ,Der Ordner'

Eine Anekdote?

Keine lustige: Es ist 1945, Weißer Sonntag im April: Vater vermisst, Kinderkommunion. Mutter hatte aus barmherziger Hand ein paar Eier und etwas Mehl bekommen, buk einen Streuselkuchen, der im gemeinsamen Schlafzimmer (für 7 Personen) auf dem kleinen, weißen Schränkchen stand.

Am Sonntagmorgen wurde ich wach, die 4 Geschwister schliefen noch, ich sah einen winzigen Streusel, der etwas über den Kuchenrand hinausragte. Abknibbeln, in den Mund stecken, genießen, erschrecken: Uns war aber eingebläut worden: Vor der Kommunion darf man nicht das Geringste gegessen oder getrunken haben. Ich in die Küche zu Mutter laufen, erzählen, fragen! Mutter: „Das weiß ich auch nicht. Lauf in die Kirche zum Vikar, der hört vor der Messe noch Beichte. Frag ihn.“ Ich mit Herzklopfen hin! Als ich es dem Geistlichen erzählt und ihn gefragt hatte, lautete die Antwort: „Nein, mein Junge, du kannst heute nicht mit zur Ersten Heiligen Kommunion gehen.“ Als danach in der eingeübten Messe die Führ-Engelchen, die genau 100 Jungen und Mädchen zur Kommunionbank abholten, musste ich als einziger Knabe vor dem Kirchenpublikum stehen bleiben. Ein Seelen-Trauma mit großen Spätfolgen.

Hannes mit seinen Schülern
Hannes mit seinen Schülern

Wovor hast Du Angst?

Vor einem langen Krankenlager.

Ein besonderer Wunsch?

Immer noch etwas zu wünschen behalten.

Wo hast Du Platt gelernt und kannst Du Masematte?

Masematte kann ich nicht, nur die in meiner Schulzeit auf dem Paulinum gängigen Vokabeln, die ich bis heute nicht vergessen habe. Platt hatte ich zu einem geringen Teil wohl von Oma und Opa, Vater und Mutter, also in der Familie gehört; aber es aktiv zu sprechen gelernt habe ich erst in der Evakuierung auf dem Schulhof in Neuenkirchen ab 1943. Da war ich Zweitklässler. 


Ein Nachsatz

Bei Hannes Demming fällt es mir etwas schwerer als sonst, die passenden Worte zu finden, die seiner Persönlichkeit gerecht werden. Beeindruckt haben mich seine Geistesstärke und Sensibilität. Letztere blitzt hin und wieder auf, wenn er über Enttäuschungen und Verletzungen spricht. Hannes ist ein positiv denkender Mensch, der seiner Stadt viel gegeben hat. Für mich ist es eine Bereicherung, ihn kennengerlernt zu haben.


Zuschrift von Rainer Genius

Hannes als Lateinlehrer in den 60er Jahren - Foto Rainer Genius
Hannes als Lateinlehrer in den 60er Jahren - Foto Rainer Genius

...Ich habe ihn als meinen Lateinlehrer auf dem Kardinal-von-Galen Gymnasium kennen gelernt. Nachdem er die Schule verlassen hatte und nach Recklinghausen wechselte, habe ich ihn für etliche Jahre aus den Augen verloren, bis ich – völlig überrascht - in einem WN- Zeitungsartikel las, dass mein ehemaliger Lateinlehrer die Hauptrolle in einem Stück der Niederdeutschen Bühne spielt... Spontan beschloss ich, den Hannes unbedingt in seiner Hauptrolle sehen zu wollen und ging mit meiner Frau in eine Vorstellung des Stücks „Jöppe in’t Paradies“.

Es war das Jahr 1976. Hannes spielte tatsächlich die Hauptrolle – und zwar in einer ungeahnten und nicht für möglich gehaltenen Professionalität... Wie der Zufall es wollte, las ich dann im Jahr 1981 in einem groß aufgemachten Zeitungsartikel, dass die Niederdeutsche Bühne Nachwuchsschauspieler sucht.

Rechts Hannes Demming, ganz links bin ich in der Rolle des „jugendlichen Liebhabers“, außerdem im Bild Marita Hopp, Bernhard Frehe und Rudi Hintze - Foto Rainer Genius
Rechts Hannes Demming, ganz links bin ich in der Rolle des „jugendlichen Liebhabers“, außerdem im Bild Marita Hopp, Bernhard Frehe und Rudi Hintze - Foto Rainer Genius

Es hat mich einige Überwindung gekostet, aber ich habe den Vorstellungstermin wahrgenommen und so meinen Lateinlehrer Hannes Demming nach fast 20 Jahren wieder getroffen. Was soll ich sagen, ich bekam sogar für einige Jahre die Rolle des jugendlichen Liebhabers in den Stücken der Niederdeutschen Bühne und habe mehrere Jahre mit Hannes Demming und anderen Größen der NDB auf der Bühne gestanden. Bis heute verbindet mich mit ihm ein herzliches Verhältnis.


Quellen

Text und Idee: Henning Stoffers

Abbildungen, soweit nicht anders angegeben: Hannes Demming