Liebe Leserin, lieber Leser,

,Trauer um eine Café-Tradition', so titelten die Westfälischen Nachrichten, als die Schließung des Café Kleimann bekannt wurde. Ja, es stimmt traurig, dass eine liebgewordene Institution die Pforten schließt.

 

Es ist aber nicht außergewöhnlich, wenn ein alteingesessenes Geschäft oder Unternehmen seinen Betrieb aufgibt. Es entsteht Neues, und irgendwann wird daraus wieder eine anerkannte Institution. Vielleicht..., aber sicher anders.

 

Ein Blick zurück zeigt den steten Wandel unserer Stadt.

 

Ihr Henning Stoffers


Café Kleimann und andere Traditionsgeschäfte

oder

Das Kommen und Gehen in Münsters guter Stube

Rothenburg 1970er Jahre - Dem alteingesessenen Uhren- und Schmuckgeschäft Sütfeld folgte ein Jeansladen. Der alte Schriftzug oberhalb der Schaufenster ist noch gut erkennbar.
Rothenburg 1970er Jahre - Dem alteingesessenen Uhren- und Schmuckgeschäft Sütfeld folgte ein Jeansladen. Der alte Schriftzug oberhalb der Schaufenster ist noch gut erkennbar.

Wie ein Paukenschlag wirkte die Nachricht über die Schließung des Cafés Kleimann. Wieder verschwindet ein Stück liebgewordenes Münster.

 

Das Geschäftsmodell der Kleimanns ging nicht mehr auf. Der Wandel in der Gastronomie mit Außenbewirtung und ein verändertes Kundenverhalten zwangen zur Aufgabe.

 

In den letzten Jahrzehnten hat sich das Bild der Innenstadt verändert. Filialgeschäfte nationaler und internationaler Unternehmen - meist uniform im Auftritt - haben sich niedergelassen.

 

Die Mieten stiegen in astronomische Höhen, die für viele kleine Geschäfte und Gaststätten untragbar wurden. Andererseits verlockte es manchen Hauseigentümer, sein Geschäft aufzugeben und die Räumlichkeiten zu vermieten.

Werbung 1938
Werbung 1938

Poertgen in der Salzstraße 1970er Jahre. Das Haus wurde inzwischen weiter aufgestockt, und der Buchladen um die Räumlichkeiten des nebenstehenden Gebäudes (Bata) erweitert.

Vor 100 Jahren

Häuser am Drubbel um 1920
Häuser am Drubbel um 1920

Das Foto am Drubbel entstand um 1920.  Im linken Haus gab es die Zahnpraxis Dr. Otten, den Damenfriseur Ottmann und die Gemüsehandlung Krukenkamp. Im Nachbarhaus wurden Produkte für gemeinnützige Zwecke verkauft. Weiter rechts steht das Haus der Buch- und Kunsthandlung August Greve. Keines der Geschäfte existiert heute noch.

Der Prinzipalmarkt im Jahre 1925

Der Prinzipalmarkt in alter Pracht. Reges Treiben herrscht unter den Arkaden und auf der Straße. Marktfrauen - die Appeltiewen - stehen vor ihren Obstkörben und Ständen. Eine Straßenbahn rattert bimmelnd über die Gleise. Pferdefuhrwerke und selten auch einmal ein Auto holpern über das Kopfsteinpflaster. Ein Polizist überwacht das Geschehen. Man kann geruhsam auf der Marktstraße wandeln.

 

Viele kleine Geschäfte und Unternehmen sind unter den Arkaden zu finden und zeigen sich in einer außerordentlichen Vielfalt:

Ein Hotel, ein Kino, mehrere Buch- und Kunsthandlungen, eine Café, zwei Gaststätten, ein Schuhgeschäft, ein Tabakwarenladen, ein Zahnarzt, Glas- und Lederhandlungen, ein Hut- und ein Korsettgeschäft, ein Blumenladen, ein Gemüsegeschäft, ein Kolonialwarengeschäft, eine Drogerie, eine Butterhandlung, eine Weinhandlung, ein Optiker und ein Juwelier, eine Instrumentenhandlung u.v.a.m.

 

Bis heute sind davon nur zwei Einrichtungen erhalten geblieben: das Schuhhaus Zumnorde und - natürlich - das Traditionsgasthaus Stuhlmacher. Das Textilhaus Schnitzler kam erst einige Jahre später auf den Prinzipalmarkt.

Brinckmann und Hochherz


Allein zwei Traditionsgeschäfte in Sachen Spielwaren waren am Prinzipalmarkt beheimatet: Spielwaren und Kinderausstattung Hochherz (seit 1872) und Sport- und Spielwaren L.A. Brinckmann.

Café Kleimann - Prinzipalmarkt 48

Café Kleimann um 1960 - Unbekannter Fotograf
Café Kleimann um 1960 - Unbekannter Fotograf

Dort, wo heute Café Kleimann bis Ende März 2016 zu finden war, befand sich 1925 für 10 Jahre eine Kaffee-Hag Niederlassung aus Bremen - eine Ladenkette! Einige Jahre davor gab es an dieser Stelle für nur 3 Jahre das Café Central mit Konditorei. Und wieder davor hatte hier die Tuchhandlung Wilhelm Deiters fast 100 Jahre lang ihren Sitz.

 

Diesen Wandel gab es schon immer, und so ist es nicht verwunderlich, dass alteingesessene Traditionsunternehmen wie Hochherz, Brinkmann, Kluxen, Schucan und viele andere nicht mehr im Straßenbild zu finden sind. Das große Hotel ,Zum König von England' hat Platz für das Textilhaus Petzold gemacht. Dort wo Kolonialwaren Anna Koene einmal war, gab  es nach dem Krieg gleich mehrere Geschäftswechsel.


Café Kleimann - Grafik Wilfried (Schrolli) Schroeder

Gaststätten

Hofkonditerei Albin Middendorf Bogenstraße
Hofkonditerei Albin Middendorf Bogenstraße

Auch in der Gastronomie waren früher häufige Besitzerwechsel und Schließungen zu beobachten. Das große Gaststättensterben fand jedoch in den letzten 30-40 Jahren statt - zum Beispiel Franke, Rietkötter, Lindenhof, Café Schucan oder Café Müller.

 

In diesen Tagen wurde bekannt, dass die Kunst- und Kulturkneipe Le Midi am Bohlweg nach 19 Jahren für immer die Pforten schließt.  Mit Herzblut brachte ihr Wirt Wolfgang Krause ein Stück französische Lebensart nach Münster. Vormals hieß die Gaststätte ,Zur guten Quelle' und war etwa 80 Jahre lang eine typische Stadtviertelkneipe.

 

Mit der Schließung dieser Szene-Kneipe geht eine Einrichtung verloren, die mit ihrer Originalität eine Bereicherung für das Stadtviertel und Münster war.

Wie sich ein Straßenbild ändert

Die Salzstraße in den 1970er Jahren
Die Salzstraße in den 1970er Jahren

Ein Beispiel aus den 1970er Jahren:

Die Salzstraße

Die Geschäfte Bilka, Foto-Quelle, Neuform, Woolworth, Deichmann, Yves Rocher, Salamander, Eduscho, Foto-Schmelter und die Gaststätte Salzrümpchen, deren Werbung auf der nebenstehenden Aufnahme zu sehen ist, existieren in der Salzstraße nicht mehr.

 

Heute sind die Werbetafeln in der ausladenden Größe verschwunden. Offensichtlich macht die Stadtverwaltung Vorgaben für einen dezenteren Auftritt.

Strukturwandel

Verliert Münster seine Attraktivität, Vielfalt und Originalität? Oder ist es nur ein ganz normaler Vorgang? Zwar ist Letzteres sicherlich der Fall, das beweist die Geschichte der vergangenen 100 Jahre. Die letzten Jahre haben aber auch gezeigt, wie schnell und wie stark sich unsere Stadt in ihrer Struktur gewandelt hat. Und sie wird sich noch weiter verändern - hoffentlich nicht allzu sehr in eine Uniformität und einer damit verbundenen x-beliebigen Austauschbarkeit...