März 2021

Liebe Leserin, lieber Leser,

Münster vor einem halben Jahrhundert. Wie sah damals unsere Stadt aus? Was hat sich verändert? Und so habe ich diesmal einen kurzweiligen und auch etwas nostalgischen Spaziergang in die 1960er, 1970er Jahre ausgewählt. Der erste Teil behandelt den Altstadtbereich, der zweite Teil den Bereich außerhalb der Promenade und bei diesem, dem 3. Teil sind es Gaststätten, Neubaugebiete und andere Besonderheiten.

 

Vielleicht haben Sie das eine oder andere Bild aus dieser Zeit. Für eine Veröffentlichung auf dieser Seite schreiben Sie mir bitte.

 

Ihr Henning Stoffers


Ausflug in die 60er-70er Jahre - Teil 3

Wie sehr sich ein Stadtbild im Laufe von 50-60 Jahren ändert, zeigt dieser kleine Spaziergang durch das Münster jener Jahre. Vieles erkennen wir kaum wieder oder mutet uns fremd an.

Am Güterbahnhof

Foto Erwin Schröder
Foto Erwin Schröder

Tristesse herrscht am Alfred-Krupp-Weg, der parallel zur Friedrich-Ebert-Straße verläuft und an der Umgehungsstraße endet. Eine graue Betonmauer trennt die Straße vom Güterbahnhof. Links lag die zerstörte Maschinenfabrik Stille, die Landmaschinen herstellte.

 

In meiner Kindheit bin ich diesen Weg oft gegangen. Er führte von meinem Elternhaus in der Südstraße über die damals nicht befahrene Umgehungsstraße zum Kanal. Für uns Koten war dies ein wunderbarer Spielplatz. Wir kletterten in den an den Bahngleisen naheglegenen Ruinen und beobachteten die Kähne, die von dampfgetriebenen Schleppern gezogen wurden.

Eingemeindete Ortsteile

Als wäre die Zeit stehen geblieben - Idylle in Gelmer
Als wäre die Zeit stehen geblieben - Idylle in Gelmer

Der 1.1.1975 ist ein wichtiges Datum für Münster. Etliche Umlandgemeinden kamen durch die kommunale Neugliederung zu Münster, wie zum Beispiel Hiltrup, Roxel, Wolbeck oder Albachten.

Ortskern Amelsbüren
Ortskern Amelsbüren

Auch Amelsbüren und Gelmer (siehe Fotos) wurden münstersche Ortsteile. Der damalige dörfliche Charakter hat sich im Laufe der Jahrzehnte nicht erhalten.

Amelsbüren
Amelsbüren

Gaststätten

Erinnern Sie sich an die gute, alte Kneipe an der Ecke? Wo man sich mit Freunden und Bekannten auf ein Bier und zum Plausch traf? Diese Kneipen sind nur noch spärlich anzutreffen.

,Zum Schwan'  an der Schillerstraße
,Zum Schwan' an der Schillerstraße

Wie sehr sich Münsters gastronomische Landschaft geändert hat, zeigen diese Bilder. Gab es vor 50-60 Jahren noch eine große Zahl der guten, alten Eckkneipe, sucht man heute meist vergeblich nach ihr. Mangels Rentabilität gaben ihre Besitzern auf.

Erinnerungen - Hubert Kavermann über den ,Schwan':

In den 70ern war der Gastraum die "Wartehalle" für Fahrschulen (wieviele es damals waren weiß ich nicht). Hierhin wurden die Führerscheinanwärter eingeladen und jeweils zu zweit dann in den VW gepackt zur Prüfungsfahrt. Manchmal wußte man erst gegen Mittag, ob man den grauen Schein bekam oder eben nicht. Duchfallen war so selten nicht.

 

Ich hatte meine Prüfung dort im Dezember 1972 und war glücklich, gegen Mittag mitgeteilt zu bekommen, bestanden zu haben. Mein Mitfahrer hatte leider weniger Glück, nach fünf Minuten war die Fahrt schon beendet.

Zum deutschen Herd in Gimbte
Zum deutschen Herd in Gimbte
Gaststätte Homann an der Wolbecker Straße
Gaststätte Homann an der Wolbecker Straße
Mauritz-Eck an der Warendorfer Straße
Mauritz-Eck an der Warendorfer Straße

Neue Medien änderten das Verhalten und die Lebensgewohnheiten der Menschen. Parallel zum Kneipensterben schlossen auch viele Kinos für immer.

Stapelskotten
Stapelskotten

In meinem Stadtteil Kinderhaus - 16.000 Einwohner - machte in den frühen 2010er Jahren die letzte Kneipe ,Zum Krug' zu. Ein Stück Lebensqualität ist - wie auch anderswo - verloren gegangen

Die Dorbaum-Schänke in Handorf
Die Dorbaum-Schänke in Handorf
Roxel mit Gaststätte Kortmann
Roxel mit Gaststätte Kortmann

Hubert Kavermann über die Roxeler Gaststätte Kortmann:

Die Gaststätte liegt sichtbar neben der Kirche. In den 50-60 er und 70 er Jahren war es üblich, vor dem Gottesdienst sich einen Schnapps und eine Zigarre zu gönnen. Beides wurde nur zur Hälte "genossen", das Schnappsglas wurde auf einem Vorsprung oberhalb der Theke abgestellt, die Zigarre im Mauerwerk der Kirche versteckt.

 

Nach der Messe folgte dann der zweite Teil, jetzt noch in Verbindung mit einem Süppchen und einem Brötchen, denn damals war es üblich, vor dem Besuch des Gottesdienstes und der Kommunion nichts zu essen. Der Schnapps wurde mit einer Pumpe aus dem Keller nach oben in die Gläser gefüllt. Der Schnapps wurde in Fässern, nicht in Flaschen verbraucht.

 

Diese Praxis wurde bis etwa 1990 genutzt. Das Schnäppschen kostete damals 10 Pfennige. das Süppchen 50 Pfennige.

Neues entsteht

In den 1960er Jahren erlebt Münster einen Bauboom großen Ausmaßes. Neben dem noch nicht abgeschlossenen Wiederaufbau der kriegszerstörten Gebäude entstehen neue Stadtteile auf grüner Wiese. Zu erwähnen sind unter anderem Coerde, Kinderhaus, Berg Fidel, Aaseestadt und Gievenbeck.

Die ,Schleife' in Kinderhaus entsteht- Foto Willi Zumbrock
Die ,Schleife' in Kinderhaus entsteht- Foto Willi Zumbrock

Kinderhaus war mit etwa 4.000 Einwohnern (1965) ein kleiner Stadtteil Münsters. Das damalige Konzept sah Ein- und bis zu zehngeschossigen Mehrfamilienhäuser, Kindergärten, Schulen, eine Kirche und ein Bürgerzentrum in einem großen Ausmaß vor. Eine vierspurige Straße umgab das Baugebiet wie eine Schleife. Der Begriff ,Schleife' ist bis heute umgangssprachliches Synonym für den Baukomplex.

 

Zwischenzeitlich wurde die Straße zurückgebaut. Der damaligen euphorischen Zukunftsstimmung ist Ernüchterung gewichen.

Blick von einem der drei gelben Hochhäuser am Aasee - Foto Willi Zumbrock
Blick von einem der drei gelben Hochhäuser am Aasee - Foto Willi Zumbrock

1959 entstanden nahe der Torminbrücke drei Hochäuser des Architekten Karl-Friedrich Sommer. Das obige Bild wurden von einem der drei Hochäuser aufgenommen und zeigt das neue Baugebiet der Aaseestadt. In der Bildmitte sind am Horizont die Flutlichtmasten des Preußen-Stadions zu erkennen.

 

Auch hier werden wie in Kinderhaus Ein- und Mehrfamilienhäuser nebst weiteren Einrichtungen gebaut. Allerdings wird im Gegensatz zu Kinderhaus nicht so hoch hinaus und weniger eng gebaut.

Der neue Aaseemarkt - Foto Erwin Schröder
Der neue Aaseemarkt - Foto Erwin Schröder
Der Aegiddi-Markt entsteht - Foto Erwin Schröder
Der Aegiddi-Markt entsteht - Foto Erwin Schröder

Auch der Aegidiimarkt im Herzen der Stadt wird gebaut. Zuvor stand auf dem Grundstück die Aegidiikaserne. Nach deren weitgehenden Zerstörung wurde das Areal als Parkplatz genutzt.

Altes verschwindet

Stadtplan um 1905 - Ausschnitt
Stadtplan um 1905 - Ausschnitt
Google-Earth - Ausschnitt
Google-Earth - Ausschnitt

Von etwa 1900 bis etwa Anfang der 1960er Jahre befand sich an der Schleuse ein Trockendock für die Instandsetzung, Reparatur von Schiffen.

 

Heute lässt sich das Stück Technik-Geschichte anhand der Google-Earth-Ansicht nicht erkennen und auch nicht mehr erahnen.

TU Berlin Architekturmuseum BZ-I_09_047
TU Berlin Architekturmuseum BZ-I_09_047

Zu guter Letzt: Skurriles

Foto Erwin Schröder
Foto Erwin Schröder

Diesen triste Hinterhof an der Gefängnismauer fotografierte Erwin Schröder auf seiner Fotopirsch in den 1970er Jahren. Ob der kleine Anbau eine Außentoilette, ein Kleintierstall oder ein Geräteschuppen war, wird sich heute nicht mehr feststellen lassen. Auf jeden Fall war das Gebäude bestens geeignet, den möglichen Ausbruch eines Strafgefangenen zu erleichtern.


Quellen

Text und Idee: Henning Stoffers

Abbildung soweit nicht anders angegeben:

Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank Thie - Stadtarchiv)