Februar 2020

Liebe Leserin, lieber Leser,

in einer Nissenhütte am Schlossplatz gab es in den frühen 1950er Jahren eine britische Kultureinrichtung: ,Die Brücke - The British Centre'.

 

In einem Gastbeitrag hat Dr. med. Frank E. Skrotzki seine Erinnerungen an jene Zeit niedergeschrieben, die ich an dieser Stelle gern veröffentliche.

 

Ihr Henning Stoffers


Dr. med. Frank E. Skrotzki

Die Brücke - The British Centre

Ein bedeutender Teil der Nachkriegsgeschichte Münsters scheint so langsam in Vergessenheit zu geraten. Gerade der soeben vollzogene Brexit des Königreichs lässt mich wieder daran denken

Die Nachkriegsjahre und die Briten in Münster

Im Globe-Kino - Foto Carmen Preston
Im Globe-Kino - Foto Carmen Preston

Wir müssen uns erinnern, dass britische Soldaten überall im Stadtbild präsent waren. Natürlich waren sie nicht immer gern gesehen, gerade bei den jungen Leuten nicht, die in den Kneipen, in denen sie sich trafen, die gleichaltrigen Tommies als Konkurrenz beim „Anbaggern“ der Mädchen empfanden, was bei entsprechendem Genuss Germania Biers auch mal zu Tätlichkeiten und blauen Augen führte.

Loddenheide - Foto Carmen Preston
Loddenheide - Foto Carmen Preston
Vor dem Globe-Kino - Foto Carmen Preston
Vor dem Globe-Kino - Foto Carmen Preston

So kam es, dass die Wirte immer häufiger Schilder aufhängten mit dem Vermerk: „Out of bounds“, was den Besatzern den Zutritt verbat.

 

Zu erwähnen ist auch noch, dass ältere Münsteraner sich sicher noch daran erinnern, dass sie immer wieder verdutzt waren, wenn ihnen bei jedem Wetter - ob es regnete oder schneite - die jungen Briten begegneten, die lediglich mit einem T-Shirt ihren meist muskulösen Oberkörper bedeckten!

 

Nun, sie hatten ja noch ihr Globe – Kino an der Wolbecker Straße.

Frank E. Skrotzki vor der ,Die Brücke'
Frank E. Skrotzki vor der ,Die Brücke'

Es gab aber auch positive Auswirkungen der britischen Besatzung.

Sechs Jahre nach Kriegsende gingen Engländer und Deutsche wieder aufeinander zu. Man erkannte wohl mit Vernunft im Unterbewusstsein, dass die Zukunft im Miteinander liegt. Es entstand ein Bedürfnis, sich besser kennenzulernen.

 

Man konnte nicht nur rückwärts schauen, war doch mein Vater 1943 auf(!) einem britischen Kriegsschiff vor Sizilien nach einem Fluchtversuch aus einem Lager in Nordafrika nach der erneuten Gefangennahme sofort erschossen worden (Die Genfer Konvention lässt grüßen).

 

Meine Mutter hat dann später wieder geheiratet. Und wir waren weit davon entfernt, das Königreich und seine Bewohner zu hassen.

,Die Brücke' -  Die Gründung und das kulturelle Leben

Schlossplatz 1950er Jahre - Sammlung Henning Stoffers
Schlossplatz 1950er Jahre - Sammlung Henning Stoffers

Es wurde also „The British Centre“ gegründet und erhielt den Namen „Die Brücke“, mit Sitz in den britischen Nissenhütten auf dem Neuplatz (heute Schlossplatz). Das lässt vermuten, dass die Initialzündung von den Briten ausging.

 

Ein Programm für Oktober 1952 enthält eine Vielfalt von Veranstaltungen und den Hinweis auf eine Leihbücherei. Diese verweist darauf, dass gerade eine Lieferung französischsprachiger Bücher der Mission Culturelle Francaise, Mayence, eingetroffen sei, die den Mitgliedern nun zur Ausleihe zur Verfügung stünden.

 

In dem Programm findet sich auch unter dem 2. Oktober ein Hinweis, dass The English Society eine offene Diskussion zum ,Colour Problem' durchführt, zu den meine Mutter, Frau Helga Krietemeyer, die einführenden Worte sprechen würde.

Grafik Wilfried ,Schrolli' Schroeder
Grafik Wilfried ,Schrolli' Schroeder

Die English Society e.V. war praktisch eine Unterorganisation, in der hauptsächlich Diskussionen und weitere Veranstaltungen durchgeführt wurden. Besonders tat sie sich mit Theateraufführungen hervor, dazu gab es The Anglo-German Dramatic Group, eine Vereinigung von Laienschauspielern aus beiden Nationalitäten.

 

Mir liegt hier das Programm des Stückes Hay Fever von Noel Coward vor, das am 12. und 13. November 1954 zur Aufführung kam. Ich habe es hier vollständig abgebildet, da es einige kulturgeschichtlich bedeutsame Aspekte Münsters enthält. Der männliche Hauptdarsteller war Norbert Hackethal, der Sohn des sehr beliebten Regierungspräsidenten Franz Hackethal.



Szene mit N. Hackethal und meiner Mutter, welche die Rolle der Myra Arundel spielte.
Szene mit N. Hackethal und meiner Mutter, welche die Rolle der Myra Arundel spielte.

Bedeutungsvoll ist auch die auf dem Programm erwähnte Unterstützung durch den sehr renommierten Prof. Peter Otten und die Studiobühne der Universität Münster.

 

Prof. Otten war ein sehr interessanter Mann. Er war Leiter des Lektorats für Sprecherziehung und Vortragskunst. Sein Thema enthielt naturgemäß das Schauspiel, wozu er für seine Arbeit mit den Studenten die o.g. ,Studiobühne' gründete, die in unterschiedliche Gebäuden der Universität Spielorte suchte.

 

Ein erwähnenswerter Aspekt der Tätigkeit Prof. Peter Ottens, der kaum bekannt ist, war sein Engagement für den WDR in Köln. Es war damals üblich, dass neue TV- und Radiosprecher ihre Sprechweise auf Wunsch des Intendanten erst pflichtgemäß mit Peter Otten einüben mussten. - Wie sehr würde man sich das heutzutage wieder wünschen!!!

Die Resonanz in der Presse zeigt der nebenstehendeAusschnitt in der Münsterschen Zeitung vom 12.11.1954.

 

In jene Zeit fällt auch die Bekanntschaft und bis heutzutage bestehende Freundschaft mit dem damaligen britischen Studenten, der eigentlich aus Berlin stammte, John Izbicki, der in der Zukunft noch eine bedeutende Rolle spielen sollte.

 

Er wurde später Chefredakteur des Daily Telegraph und Vertrauter der Ministerpräsidentin Margret Thatcher, sowie einflussreich bei der Entwicklung des britischen Schulsystems.

John Izbicki mit meiner Mutter
John Izbicki mit meiner Mutter

In seinen Memoiren „Life between the lines“, erschienen 2012, erinnert er sich gern an Münster. Ihm fielen die vielen Kirchen auf, die nur noch von den Kneipen an Anzahl getoppt werden konnten.

 

Als Student lebte er im Aaseehaus und verliebte sich in die blonde Tochter Barbara des Wirtschaftsprofessors Sarazin. Die „Three Mad Days“ erleichterten im das Kennenlernen. An die Kochkünste der Mutter erinnert er sich bis heute gern. Er beschreibt das Studentenleben und seine Besuche bei den unterschiedlichen Verbindungstypen, die er kritisch beurteilt und teilweise Erinnerungen an seine Kindheit in Berlin hervorrufen.

Bei Versammlungen ,Der Brücke' wurden natürlich Gruppenbilder angefertigt, wie hier am 13.9.1954

 

Das kulturelle Leben der Stadt wurde also durch die Besatzungstruppen deutlich befruchtet, woran ich erinnern wollte.

Dank und Schlusswort

Ein nur wenig bekanntes Stück Stadtgeschichte aus Münsters Nachkriegszeit ist an dieser Stelle niedergeschrieben worden, authentisch aus dem persönlichen Erleben. Ich danke Frank E. Skrotzki für diesen Beitrag.


Leserzuschrift

Wolfgang Göbel aus Burgsteinfurt schrieb am 2.3.2020:

Ich bin 11 Jahre lang jeden Tag vom Botanischen Garten über die Jüdefelder Straße zur Schule gegangen und damit an der „Brücke“ vorbei. Erst zur Martin-Luther-Schule, die im Gebäude der Überwasserschule untergebracht war und dann sechs Jahre zur Wichern-Realschule, die im Gebäude der Paul-Gerhardt-Realschule untergebracht war. So ca. 1957 – 1958 habe ich mir in der „Brücke“ die ersten Enid-Blyton-Bücher ausgeliehen und gelesen.

 

Zu dem Bild vom Schloss in dem Artikel über die „Brücke“: Ich kann mich gut daran erinnern, als auf der Westeite des Schlosses das Holz-Gerüst aufgebaut wurde zur Errichtung der Laterne. Auf dem Foto erkennt man sehr gut das Gerüst auf dem Dach und den Gang, der zur Westseite des Schlosses führte und dann auch Teile des Gerüstes. Das Gerüst war, wie damals üblich aus Vierkanthölzern aufgebaut. Die heutigen filigranen Stahlrohrgerüste gab es damals noch nicht. Meiner Erinnerung nach muss das damals so gegen 1953 gewesen sein. Bei Wikipedia gibt es einen Artikel zum Schloss und dort ist 1954 vermerkt mit der Wiederherstellung der Laterne. Ich würde das Foto auf 1953 datieren.

 

Bei dem Thema Schulen ist mir in Erinnerung:

Wir hatten „Schichtunterricht“, eine in Münster übliche Art mit fehlendem Schulraum optimal umzugehen. Die eine Schule hatte eine Woche am Morgen von Montag bis Samstag Unterricht, die andere Schule hatte dann am Nachmittag von Montag bis zum Freitagnachmittag Unterricht, dann wurde gewechselt. Ich habe so fast 11 Jahre lang Unterricht bekommen.


Quellen:

Text: Frank E. Skrotzki

Abbildungen soweit nicht anders angegeben: Frank E. Skrotzki

Redaktion: Henning Stoffers