Liebe Leserinnen, liebe Leser,

als 1945 der Krieg endete, mussten riesige Trümmermengen beseitigt werden. Männer und Frauen wurden zur Trümmerräumung herangezogen - zunächst auf freiwillig Basis, später verpflichtet.

 

Wie es in Münster war, zeigen die Bilder. Trotz der schwierigen Situation sind auch lachende Gesichter zu erkennen.

 

Sie sehen eindrucksvolle Bilder des Fotografen Carl Pohlschmidt. Ich danke der Universitäts- und Landesbibliothek Münster für deren Bereitstellung.

 

Ihr Henning Stoffers


Trümmer über Trümmer

Sommer 1945 - Eingang zur Südstraße - Foto ULB
Sommer 1945 - Eingang zur Südstraße - Foto ULB

Als der Krieg endete...

... versperrten gewaltigen Trümmerberge auf Münsters Straßen, Plätzen und Grundstücken ein normales Fortkommen. Schmale Pfade führten durch ein Trümmermeer.

 

2.200.000 cbm Schutt, Ziegelsteine, Betonreste, Balken, Hausrat, einsturzgefährdete Gebäude und Gebäudeteile, versteckte Blindgänger waren zu beseitigen.

 

Während der Kriegsjahre wurden insbesondere Zwangsarbeiter verschiedener Nationen (u.a. Russen, Polen, Franzosen) gezwungen, Trümmer zu beseitigen. Jetzt war die Bürgerschaft auf sich gestellt.

Hansaviertel Sommer 1945 - Foto Sammlung Henning Stoffers
Hansaviertel Sommer 1945 - Foto Sammlung Henning Stoffers

Sommer 1945: Beginn der Schippaktion

Kurz nach dem Einmarsch der Alliierten machten sich die von den Militärbehörden eingesetzten Verantwortlichen Gedanken zur Lösung der dringlichsten Aufgaben.

 

Die Versorgung mit Wasser und Elektrizität konnte relativ schnell wieder aufgenommen werden. Es gab mehr als 1000 Wasser- und Gasrohrbrüche. Teilweise erhielten die Bewohner das Wasser aus Hydranten. Man begann mit der Entschärfung der Blindgänger. Die Ratten, die sich in den Trümmern massiv vermehrt hatten, mussten mit allen Mitteln bekämpft werden.

Herbst 1945 im Hafen - ULB Münster
Herbst 1945 im Hafen - ULB Münster

Mitte 1945 begann die Schippaktion - eine Selbsthilfeaktion. Dazu war die Bürgerschaft aufgerufen worden. In den Abendstunden sollten freiwillige Aufräumarbeiten geleistet werden. Der geschäftsführende Oberbürgermeister Dr. Zuhorn gab aber auch zu verstehen, dass er eine Verordnung zur Pflichtarbeit gäbe, wenn das erstrebte Ziel nicht erreicht werden würde. Die Mitarbeit müsse für jeden Bürger Ehrensache sein.

 

Zur Vergrößerung können die Bilder angeklickt werden.

Herbst 1945 im Hafen - Bild ULB
Herbst 1945 im Hafen - Bild ULB
Herbst 1945 im Hafen - Bild ULB
Herbst 1945 im Hafen - Bild ULB

Es wurden Bezirke eingeteilt und Räumwarte ernannt. Die Räumwarte hatten die Aufgabe, mit gutem Beispiel voranzugehen und dafür zu sorgen, dass kein Arbeitsfähiger sich von der Arbeit fernhielt.

Herbst 1945 Salzstraße - ULB Münster
Herbst 1945 Salzstraße - ULB Münster
Herbst 1945 Erbdorstenhof - ULB Münster
Herbst 1945 Erbdorstenhof - ULB Münster

Es gab genaue Richtlinien, wie mit dem Schutt zu verfahren war. Zum Beispiel sollten zunächst die Bombentrichter zugeschüttet werden. Die Einläufe zur Kanalisation waren frei zu räumen, damit das Regenwasser ablaufen konnte.

Herbst 1945 im Hafen - ULB Münster
Herbst 1945 im Hafen - ULB Münster
Herbst 1945 im Hafen - ULB
Herbst 1945 im Hafen - ULB

Es fällt auf, dass die Menschen durchweg keine Arbeitskleidung tragen. Die Frauen in Kleidern Röcken und Blusen. Die Männer in Anzügen, Westen, Knickerbockern und Hemden, als kämen sie direkt von der Arbeit.

Stadthalle Herbst 1945 - ULB Münster
Stadthalle Herbst 1945 - ULB Münster
Stadthalle Herbst 1945 - ULB Münster
Stadthalle Herbst 1945 - ULB Münster

28.8.1945
28.8.1945

Auf dem obigen Bild ist der Generalmusikdirektor Heinz Dressel mit seinen aus der Gefangenschaft entlassenen bzw. in Münster verbliebenen städtischen Musikern zu sehen.

 

Mangels Räumlichkeiten fanden die Konzerte im Schlossgarten statt. Das erste Konzert nach dem Krieg war am 30.6.1945. Das Motto ,Wir musizieren.'  Mozarts ,Kleine Nachtmusik' und die Peer-Gynt-Suite standen mit auf dem Programm. Großer Beifall der Zuhörer.


Der Zuzug nach Münster wurde reglementiert. Es gab einfach zu wenig Wohnraum. Auf der anderen Seite fehlten aber Menschen, die bei der Trümmerbeseitigung helfen konnten. - Für den Bezug von Öfen, Herden und Möbeln gab es Antragsvordrucke. Falsche Angabe waren mit Strafe bedroht.

Schippaktion 1946

Vom Prinzipalmarkt Richtung Rothenburg - vorn Eckhaus Anna Koehne - ULB Münster
Vom Prinzipalmarkt Richtung Rothenburg - vorn Eckhaus Anna Koehne - ULB Münster

Am 10.5.1946 wurde die Bürgerschaft verpflichtet, sich mit 48 Stunden an den Aufräumarbeiten zu beteiligen. Alle gesunden Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren wurden herangezogen. Es gab täglich ein freies Mittagessen. Der Stundenlohn betrug 0,67 RM. Es war der tarifliche Lohn für Tiefbauarbeiter.

 

Die auf den Fotos zu sehenden Männer tragen überwiegend eine uniformähnliche Kleidung. Es sind deutsche Polizisten, die aus britischen Militärbeständen eingekleidet wurden.

Prinzipalmarkt um 1946 - ULB Münster
Prinzipalmarkt um 1946 - ULB Münster
Loren mit Trümmerlok um 1946 - ULB Münster
Loren mit Trümmerlok um 1946 - ULB Münster

An die Frauen und Mädchen wurde appelliert, sich freiwillig für einen halbtägigen Einsatz zu melden. Es gab ein Räumbüro in der Klosterstraße, an das man sich wenden konnte. Auch der Jugend sollte Gelegenheit gegeben werden, einen Beitrag für den Wiederaufbau zu leisten.

Herbst 1945 Promenade Servatiiplatz - ULB Münster
Herbst 1945 Promenade Servatiiplatz - ULB Münster
Herbst 1945 Bahnhofstraße - ULB Münster
Herbst 1945 Bahnhofstraße - ULB Münster

Der Aufruf endet mit folgenden Worten:

Hand ans Werk. Unsere Vorfahren haben Großes für ihre Stadt geleistet und getan. Angesichts der entsetzlichen Verwüstung unserer Heimatstadt wollen wir nicht verzagen. ...Nicht durch schöne Worte und Ratschläge, sondern durch praktische Mitarbeit können wir Münster wieder aufbauen.

Servatiiplatz - Bahnhof

Sommer 1945 Servatiiplatz - ULB Münster
Sommer 1945 Servatiiplatz - ULB Münster
Sommer 1945 Servatiiplatz - ULB Münster
Sommer 1945 Servatiiplatz - ULB Münster

Das obige und das nebenstehende Foto zeigen die zerstörte Erlöserkirche mit einer aus den Gleisen gehobenen Straßenbahn. Auf den später um einige weitere Meter abgetragenen Turmstumpf wurde beim Bau der Notkirche lediglich ein kleines Dach gesetzt.

 

Unten links ist der zerstörte Nordeingang des Bahnhofs zu sehen. Vorn steht eine Personengruppe, die offensichtlich Schwarzmarktgeschäfte abwickelt.

 

Das Bild daneben zeigt eine junge Frau mit ihrem Sohn, der neben einem Koffer hockt. Auf wen oder was mögen sie gewarten haben...? Ihr Blick geht in die Empfangshalle, die vollständig zerstört ist. Nur die Seitenmauer und die hintere Giebelwand sind stehen geblieben.

Herbst 1945 Bahnhof Nordeingang - ULB Münster
Herbst 1945 Bahnhof Nordeingang - ULB Münster
Herbst 1945 Bahnhof Haupteingang - ULB Münster
Herbst 1945 Bahnhof Haupteingang - ULB Münster

Dankbarkeit

Vor 70 Jahre wurde ein Trümmermeer geräumt. Es ist für uns heute kaum vorstellbar, wie es den Menschen damals gegangen sein mag. Trotz aller Schwierigkeiten und Probleme haben sie es in wenigen Jahren geschafft, Münster wieder zum Erblühen zu bringen.

 

Besondere Anerkennung gebührt den Frauen und Müttern, die als Trümmerfrauen ihren Beitrag geleistet haben. Oft war der Ehemann, Verlobte oder Freund im Krieg gefallen oder vermisst. Sie standen vor großen Herausforderungen, wenn die Wohnung zerstört war oder wenn Kinder und Angehörige versorgt werden mussten.

 

Im Wort ,Trümmerfrau' schwingt auch heute noch Dank und Hochachtung mit.

Herbst 1945 Bahnhof Nordeingang - ULB Münster
Herbst 1945 Bahnhof Nordeingang - ULB Münster