Liebe Leserin, lieber Leser,

das Thema ,Corona' ist derzeit ein alles beherrschendes Thema. Aus diesem Anlass hat Norbert Nientiedt seine Gedanken, Gefühle und sein Erleben aufgeschrieben. Seine Beiträge, die zum Nachdenken anregen,  veröffentliche ich gern an dieser Stelle.

Zu den 4 Themenbereichen:

Corona 1: Abstand ist Fürsorge

Corona 2: Heilig Kreuz

Corona 3: Die Gier

Corona 4: Coronabegegnung am Lambertibrunnen

 

Ihr Henning Stoffers


Heiliges Kreuz, unsere einzige Hoffnung, sei gegrüßt

Auch in der „Coronakrise“ darf ich meine täglichen zwei Radtouren noch machen, da die Ausgangssperre noch nicht ausgesprochen ist. Normalerweise beende ich die „Leezentouren“ mit einem Kaffee an einem schönen Ort unserer Stadt; oft ergeben sich dann Begegnungen und gute Gespräche.

 

An diesem Samstag, Ende März 2020 ist das, trotz des wunderbaren, sonnigen Wetters, natürlich nicht erlaubt. Meine heutige Tour führt nach „Kotenbeis“ und danach, über die Gasselstiege, zurück ins Kreuzviertel, wo ich wohne. Am Nordplatz erstrahlt die Sonne das Wegkreuz so wunderbar, dass ich meine „Leeze“ dort parke und auf der Bank vor dem Kreuz, Platz nehme. Frische Blumen stehen da und scheinen nach den vielen trockenen Tagen nach Wasser zu lechzen; auch die Kerze, in dem schönen Leuchter, ist ausgebrannt. Der Schriftzug auf der bronzenen Tafel, die auf einem Stein vor dem Kreuz angebracht ist, wird direkt von der Sonne angestrahlt und leuchtet mich an.

Heiliges Kreuz, unsere einzige Hoffnung, sei gegrüßt

 

Diese Worte treffen nicht nur meine Augen, sondern auch meine Gefühle, die ich in diesen Tagen habe, wo ich doch heute Morgen noch von den unsäglichen Zuständen, von dem Leid und dem Sterben in den italienischen Hospitälern, gelesen habe. Jetzt geht mein Blick hoch zu dem ganz in Weiß gefertigten Kreuz, das vom gleißenden Licht so stark reflektiert wird, dass es fast zu schweben scheint. Wieder bei mir selbst angekommen, spreche ich, ohne es mir vorgenommen zu haben, spontan ein Gebet für all die Menschen, die jetzt so leiden und leider auch so einsam und würdelos sterben müssen. Ich spreche auch einem Danke für die vielen, die sich, oft auch ohne an sich selber zu denken, einsetzen. Dann nehme ich mein Smartphone und recherchiere, dass dieses Kreuz schon auf Ansichtskarten um 1900 zu sehen ist, dass die Nazis es zerstört haben, aber die Bürger nach dem Krieg es neu errichteten.

 

Mein Blick geht noch einmal intensiv auf die fast verwelkten Blumen und die abgebrannte Kerze, so dass ich erst spät bemerke wie plötzlich eine Frau (noch gerade im geforderten Mindestabstand) vor mir auftaucht. Sie parkt ihre „Leeze“ direkt hinter meiner, dann holt sie aus der großen, gelben Tasche eine Wasserflasche, eine kleine Harke, frische Blumen und eine neue Kerze. Interessiert beobachte ich wie die hagere Frau den Platz vor dem Kreuz liebevoll pflegt. Als sie sich aufrichtet, kreuzen sich unsere Blicke und ich sage spontan: “Danke“. Sie schaut mich etwas irritiert an und ich frage sie:“ Machen sie das in irgendeinem Auftrag oder privat?“

 

In einem angenehmen Ton, der Bescheidenheit verrät, antwortet sie: “Ich mache das immer, weil es ja wichtig ist, nicht, weil es mir einer sagt.“ Der Abstand zwischen uns ist in diesem Augenblick erheblich größer, als die geforderten 1,5 Meter aber in Wirklichkeit sind wir uns ganz nah!