Liebe Leserin, lieber Leser,

vor Jahrzehnten wurde auf dem alten Zoogelände eine Bank errichtet. Die Bürgerschaft war damals davon nicht begeistert. Im Nachhinein haben sich die damaligen Bedenken in Wohlgefallen - im wahrsten Sinne des Wortes - aufgelöst.

 

Ein weiträumiger Allwetterzoo mit tiergerechten Einrichtungen wurde zum Besuchermagnet. Auf dem alten Zoogelände entstand ein architektonisches Meisterwerk für die damals in Münster beheimatete Westdeutsche Landesbank.

 

Wie alles begann, lesen Sie in dieser Bildgeschichte.

 

Ihr Henning Stoffers


Über den alten Zoo - und was aus ihm wurde

Die Lage vor der alten Stadt

Ausschnitt aus Stadtplan von 1839 - 6222.284.15
Ausschnitt aus Stadtplan von 1839 - 6222.284.15

Die im Westen vor der Stadtbefestigung liegenden Aawiesen wurden seit 1657 'regnum celeste' - Himmelreich - genannt. Daraus wurde die Himmelreichstraße und 1903 die Himmelreichallee.

 

Dort, wo die Aa in die Stadt eintritt, gab es eine kleine Insel, auf der sich im 19. Jahrhundert ein Sommertheater befand - ein romantisches, idyllisch gelegenes Gelände. Es gab keine Brücke;  nur mit einem Kahn konnte die Insel erreicht werden.

Die Anfänge des Zoos

Stempel des Vereins auf einer Postkarte
Stempel des Vereins auf einer Postkarte

Genau diese Stelle hatte sich der legendäre Professor Hermann Landois für 'seinen' Zoo ausgesucht. Landois war Priester, Zoologe und vor allen Dingen ein besonders kreativer Mensch - und auch ein etwas skurriler und schnurriger Kauz.

 

Sein Ziel war es, die Forschungsergebnisse und das Wissen über die heimische Tierwelt der Bevölkerung nahezubringen. 1871 war es dann soweit: der ,Westfälische Verein für Vogelschutz, Geflügel- und Singvogelzucht' wurde unter Vorsitz von Landois gegründet.

 

Bereits 1873 wurde beschlossen, einen zoologischen Garten zu errichten. Die von Landois vorgesehene kleine Insel an der Aa konnte im Februar 1874 erworben werden. Etwas später kaufte der Verein auch die angrenzende Wiese hinzu, die für den Ausbau der Anlage notwendig war. 

 

Die Gründung des ,Westfälischen Zoologischen Gartens' war vollzogen. Die Eröffnung mit den Spitzen der Verwaltung und Geistlichkeit fand 1875 in dem neu errichteten Restaurationsgebäude statt. Die Feierlichkeiten waren mit einer Ausstellung von Geflügel verbunden - alles begann in einem sehr kleinen und überschaubaren Rahmen.

Kreative Geldbeschaffung

In Sachen Finanzen zeigte der Verein sich kreativ: Das Vorhaben wurde über die Gründung einer Aktiengesellschaft finanziert. Die Aktie kostete 10 Taler. Eine Dividende gab es nicht, dafür erhielt der Inhaber freien Eintritt in den Zoo. Dagegen fielen aber Einnahmen weg, die dringend für den laufenden Unterhalt benötigt wurden.

 

Aber auch diese leidigen Geldsorgen konnten durch das reichliche Engagement ehrenamtlicher und unbezahlter Arbeit klein gehalten werden. Und an innovativen Ideen mangelte es dem Professor nicht. Ansichtskarten mit seinem Konterfei - mit und ohne Tuckesburg - wurden in wechselnden Ausführungen zum Verkauf angeboten.

Eintrittskarte um 1910
Eintrittskarte um 1910

Dann gab es die so genannten ,Völkerschauen', in denen Menschen aus Afrika, dem pazifischen Raum und anderen Regionen der Erde gezeigt wurden. Diese ,Vorführungen' hatten regen Zulauf und brachten Geld für das Zooprojekt. Über diese äußerst zweifelhaften und unrühmlichen Veranstaltungen machte man sich damals wenig Gedanken. Auch Landois distanzierte sich nicht eindeutig von dieser Art der Geldeinnahme.

Als besonderer Baustein der Geldbeschaffung diente - neben verschiedenen Stiftungen - die gegründete ,Abendgesellschaft des Zoologischen Gartens'. Aus allen Gesellschaftsschichten kamen die Akteure (nur Männer, keine Frauen!), die auf der Bühne plattdeutsche Stücke aufführten - natürlich ohne Honorar. Die Einnahmen gingen an den Zoo. Die Aufführungen fanden in dem an das Restaurationsgebäude extra angebauten Saal statt. Mit selbstverfassten Stücken kam reichlich Geld in die Zookasse. So konnte das Stück ,Wolfsschlucht' das Wolfsgehege finanzieren. Der Wildschweinpark bekam zum Beispiel die Mittel aus der Aufführung ,Jan van Leyden'.

Der zoologische Garten

Der legendäre Elefant August
Der legendäre Elefant August

Ende des 19. Jahrhunderts gab es mittlerweile viele Tierstationen, wie zum Beispiel den Bärenkäfig, das Löwenhaus, das Aquarium, das Elefantenhaus. Auch in den weiteren Jahren wurde der Tiergarten ständig weiter ausgebaut.

Der Eulenturm
Der Eulenturm

Der Zoo war ein sehr beliebtes Ausflugsziel für Besucher aus nah und fern geworden.

Das Elefantenhaus von 1899 - einer Moschee nachempfunden.
Das Elefantenhaus von 1899 - einer Moschee nachempfunden.

1891 gab es eine weitere bedeutsame Neuerung. Das Naturkundemuseum am Rande des Zoos an der Himmelreichallee wurde eröffnet. Die Idee, den Zoo mit dieser wissenschaftlichen Stätte zu erweitern,  war für Landois die Krönung seiner Bemühungen. Heute ist in den Räumlichkeiten die Westfälische Schule für Musik untergebracht.

Hirschgehege
Hirschgehege

Im gleichen Jahr entstand direkt am Zoogelände ein Wohngebäude mit Privatmuseum, das einer Ritterburg nachempfunden war: die Tuckesburg. Landois wohnte in diesem Haus mit seinem Affen ,Lehmann' bis zu seinem Tode.

 

Zum 25jährigen Bestehen des Gartens ließ er an der Tuckesburg ein Denkmal, geschaffen von August Schmiemann (u.a. Kiepenkerl), aufstellen, und zwar von sich - mit Zylinder, Pfeife und Gehstock. Gar nicht öffentlichkeitsscheu posierte er vor seinem Denkmal, und wurde so als Motiv für Ansichtskarten  fotografiert. Heute würde man sagen, dass er Sinn für Öffentlichkeitsarbeit hatte. - An einer seitlichen Mauer hängte er Nachbildungen der Täuferkäfige auf, in die er Puppen steckte. Daneben hingen Zangen, die glühend gemacht als Folterinstrumente eingesetzt wurden. Die beiden Kanonen stammen vom Preussischen Kriegsministerium, die aufgrund einer Landois-Eingabe bereitgestellt wurden.

Über die Tuckesburg

Landois kaufte das Grundstück für 6.000 Mark. Es liegt etwas erhöht, wenn man aus Richtung des alten Lindenhofes kommt. Bis zum Jahre 1200  soll dort eine Burg gestanden haben, die Tuckesburg. Auch ein Richtplatz sei später an dieser Stelle gewesen, so wird Landois zitiert. Der Name ,Tuckes' bedeutet wahrscheinlich ,Wallfahrer'. Heute wird das Gebäude als Wohnhaus genutzt. An der Mauer sind noch die Befestigungen für die nachgemachten Täuferkäfige zu sehen.

Ausschnitt aus Stadtplan von 1925 - 6222.284.15
Ausschnitt aus Stadtplan von 1925 - 6222.284.15
Bärenzwinger
Bärenzwinger
Kamelhaus
Kamelhaus

Die Aa-Brücke zum Zooeingang - noch eine Holzkonstruktion
Die Aa-Brücke zum Zooeingang - noch eine Holzkonstruktion

1905 starb Landois, er war 70 Jahre alt geworden. Auf dem Zentralfriedhof, genau zwischen dem alten Zoo und dem Aasee, der ebenfalls nach seiner Idee realisiert wurde, befindet sich sein Grab.

 

Sein Lebenswerk hatte Bestand und wurde erfolgreich fortgeführt. Der Zoo war ein Schmuckstück geworden mit einem Bestand von mehr als 750 Tieren in den 30er Jahren.

Das Grab auf dem Zentralfriedhof - damals und heute. Das Kreuz des Grabsteins ist im Bombenkrieg zerstört worden.
Das Grab auf dem Zentralfriedhof - damals und heute. Das Kreuz des Grabsteins ist im Bombenkrieg zerstört worden.
Meerschweinchendorf
Meerschweinchendorf

Bei den Bombenangriffen in den letzten Kriegsjahren wurden fast alle Tiere getötet. Zwei überlebende Elefanten mussten 1945 als Reparationsgut an den Antwerpener Zoo abgegeben werden. Der Großteil der Zoogebäude war vernichtet. Es begann ein mühsamer Wiederaufbau.

 

1950 bekam der Zoo wieder einen Elefanten, der in das nur leichtbeschädigte Elefantenhaus einziehen konnte. Wie seine Vorgänger hatte er den Namen ,August'.

Relief im neuen Zoo
Relief im neuen Zoo

Zum 75jährigen Bestehen im Jahre 1950 zeigte der Zoo wieder ein eindrucksvolles Bild. Aber das 100jährige Jubiläum wurde bereits an anderer Stelle gefeiert: im neuen Allwetterzoo. Ein neues Gelände war bereitgestellt worden, stadtauswärts am südlichen Teil des Aasees

 

Der Maler und Bildhauer Rudolf Breilmann schuf aus diesem Anlass das nebenstehende Relief.

Bärenhaus
Bärenhaus

Zoogrundstück für die WestLB

An die Zoobesuche in den 50er Jahren erinnere ich mich gern. Unser Lehrer Franz Homoet, Maler und Kunsterzieher, führte uns zum Zeichnen in den Tierpark. Der Zoo hatte eine besondere Atmosphäre. Wehmütig stimmte es daher, als Ende der 60er Jahre bekannt wurde, dass der Zoo an anderer Stelle neu errichtet werden sollte.

Der Umzug der Tiere etwa Ende 1973 - Der Bankneubau ist vor der Fertigstellung - Foto LBS
Der Umzug der Tiere etwa Ende 1973 - Der Bankneubau ist vor der Fertigstellung - Foto LBS
Henry Moore - Plastik ,Wirbel'
Henry Moore - Plastik ,Wirbel'

Durch eine Fusion war die neue Westdeutsche Landesbank entstanden. Der Sitz der Bank war in Münster und in Düsseldorf. Der damalige Vorstandschef Ludwig Poullain suchte für den Neubau seiner Bank einen Bauplatz in Münster, notfalls auch in Dortmund. Die Verantwortlichen der Stadt Münster wollten die Bank keinesfalls verlieren, war sie doch ein großer Arbeitgeber und Steuerzahler der Stadt. Es wurde auch befürchtet, dass Münsters Stellenwert zu anderen Regionen abnehmen würde. Und so bekam die WestLB das attraktive Zoogrundstück.

Die Umsiedlung des Zoos

Blick durch Henry Moors ,Wirbel'
Blick durch Henry Moors ,Wirbel'

Im Austausch erhielt der Zoo ein neues, großzügig geschnittenes Gelände im Bereich des südlichen Aasees. Der neue Allwetterzoo - so nennt er sich seitdem - erwies sich als sehr attraktiv für die Besucher.

 

Für die Haltung der Tiere konnten beim Neubau moderne und neue tiergärtnerische Erkenntnisse zugrunde gelegt werden, die im alten Zoo nicht möglich waren.

Bernhard Kleinhans - .Die Taten des Herkules'
Bernhard Kleinhans - .Die Taten des Herkules'

Der Neubau für die LBS

Friedrich Gräsel - ,Abluftplastik'
Friedrich Gräsel - ,Abluftplastik'

In den Jahren 1969 bis 1975 wurde das Bankgebäude nach den Plänen des Architekten Professor Harald Deilmann in mehreren Bauabschnitten fertiggestellt.  Durch die einzigartige Architektur einer terrassenförmigen Bauweise schmiegt sich das Gebäude harmonisch in die Parklandschaft ein. Von Anfang an waren in dem Neubau hauptsächlich die Mitarbeiter der LBS - damals eine Abteilung der WestLB - untergebracht.

 

2002 wurde die LBS eigenständig. Als selbstständiges Institut ist sie nunmehr auch Eigentümerin des Gebäudes und der Anlagen.

Die Plastiken

Einzigartig sind auch die Plastiken verschiedener prominenter Künstler, die verteilt auf dem Grundstück aufgestellt sind.

 

Für Ludwig Poullain gab es viel Überzeugungsarbeit, Henry Moore zu bewegen, eine Plastik für das Bankgelände zu schaffen. Erst nachdem sich Henry Moore in Begleitung von Ludwig Poullain das Gelände angesehen hatte, gab er die gewünschte Zusage.

Henry Moore ,Wirbel'
Henry Moore ,Wirbel'
Friedrich Gräsel - ,Abluftröhren' -Foto: Wilfried Hiegemann http://www.fotoideen.com/
Friedrich Gräsel - ,Abluftröhren' -Foto: Wilfried Hiegemann http://www.fotoideen.com/

Was vom alten Zoo übrig blieb...

Das Eulenhaus
Das Eulenhaus
Tuckesburg
Tuckesburg

In diesen Tagen habe ich das alte Zoogelände aufgesucht. Bis auf das Eulenhaus und der Tuckesburg ist nichts vom alten Zoo übriggeblieben. Das an der Himmelreichallee direkt am Aasee stehende Tropenhaus wurde in seinen letzten Jahren als Büro genutzt, bevor es abgerissen wurde. Die Adlervoliere - ein Nachbau aus den 50er Jahren - war baufällig und musste ebenfalls vor wenigen Jahren abgerissen werden.

 

Aber es ist eine sehr schöne Parkanlage geworden, die zur Besichtigung einlädt.

Besuchen Sie das alte Zoogelände!

Wasserbär zwischen Tuckesburg und LBS
Wasserbär zwischen Tuckesburg und LBS

Früher gehörten die Wasserbären zur spätmittelalterlichen Befestigungsanlage. Hiermit wurden die Wasserstände der Wassergräben reguliert.


Quellen und Dank

E. Marcus, H. Prümer, E. Rade:

Professor Landois. Lebensbild eines westfälischen Gelehrten-Originals 1907

Joseph Otto Plassmann: Das Buch vom Zoo 1950 - 75 Jahre Westfälischer zoologischer Garten

Henning Stoffers: Fotos - soweit nicht anders angegeben -, Ansichtskarten und Text

 

Mein Dank geht an Dr. Christian Schröder von der LBS für die freundliche Unterstützung.